EU-Mercosur-Freihandelsabkommen:
- Geleakte Zusatzvereinbarung bietet kaum Schutz für indigene Völker
- Ausdehnung der industriellen Landwirtschaft bedeutet Entwaldung und Landraub
- Indigene Völker werden von ihren Territorien verdrängt
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) sieht in der geleakten Zusatzvereinbarung zum geplanten EU-Mercosur-Abkommen keinen ausreichenden Schutz für die indigenen Völker in den Ländern des Mercosur-Blocks: „Die Zusatzvereinbarung wird die negativen Auswirkungen der Ausdehnung der industriellen Landwirtschaft durch das Abkommen nicht aufhalten“, kritisierte Regina Sonk, GfbV-Referentin für indigene Völker am heutigen Freitag in Göttingen. „Der Schutz indigener Landrechte ist darin lediglich als weiche Absichtserklärung verankert. Überwachungs- und Umsetzungsmechanismen sind nicht vorgesehen.“ Die Organisation „Friends of the Earth“ hatte den Text gestern geleakt.
Der Verhandlungsprozess über die Zusatzvereinbarung fand wie üblich hinter verschlossenen Türen statt. Lobbyverbände der Automobil- und Agrarindustrie hatten Zugang, zivilgesellschaftliche Akteure wurden nie einbezogen. „Entsprechend schützt das Abkommen in erster Linie die Interessen der Großunternehmen aus diesen beiden Industrien“, berichtete Sonk. „Besonders die indigene Bevölkerung wird die neue Freihandelszone zu spüren bekommen. Die Nachfrage nach Böden und Anbaugebieten wächst. Viele der Exportgüter werden schon jetzt auf indigenen Territorien angebaut, die Gemeinschaften dort werden verdrängt.“
Der Dachverband der indigenen Völker Brasiliens, APIB, hat bereits 2020 sieben Bedingungen für die Ratifizierung des Abkommens formuliert, darunter ein Moratorium zur Entwaldung des Amazonas-Gebietes; die konsequente Bestrafung illegaler Landnahme, sowie die Demarkation des Landes von Indigenen und Quilombolas die Einhaltung von Gesetzen zu Menschenrechten und Umwelt, sowie eine Erhöhung der Strafen für Umweltverbrechen und Entwaldung.
Die Verhandlungen zum EU-Mercosur-Abkommen lagen während der Präsidentschaft von Jair Bolsonaro in Brasilien auf Eis. Mit der Amtsübernahme von Lula da Silva wurden sie wieder aufgenommen. Die EU sucht fieberhaft nach Auswegen aus der Abhängigkeit von China und wendet sich vermehrt den Ländern in Südamerika zu. „Das geplante Freihandelsabkommen wird eine Ausweitung der Agrarindustrie auf Kosten lokaler Bevölkerungsgruppen zur Folge haben. Es gefährdet insbesondere das Leben von Indigenen, die durch die mangelhafte Landrechtsvergabe mühelos von Unternehmen vertrieben werden. So tragen Deutschland und die EU zum fortlaufenden Genozid an indigenen Völkern bei“, ergänzte Dr. Eliane Fernandes, GfbV-Referentin für indigene Völker.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) / 24.03.2023