Das Repräsentantenhaus von Florida berät aktuell über einen Gesetzentwurf, der es Personen des öffentlichen Lebens deutlich einfacher machen würde, Medienschaffende wegen kritischer Berichterstattung zu verklagen. Bislang liegt die Messlatte für Verleumdungsklagen in dem US-Bundestaat hoch. Die geplante Gesetzesänderung würde das bislang geltende „Journalistenprivileg“ aufheben, das die Rolle der Medien als vierte Gewalt entsprechend schützt. Auch widerspräche sie einem wegweisenden Urteil des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten.
„Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, dürften es sich Medienschaffende in Florida künftig zweimal überlegen, ob sie kritisch berichten wollen. Amtsträgerinnen und Amtsträger müssten kaum noch fürchten, dass ihr Fehlverhalten angeprangert wird. Wir fordern deshalb die Abgeordneten in Florida auf, den Gesetzentwurf abzulehnen“, sagte Michael Rediske, Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen (RSF).
Der Gesetzentwurf HB 991 liegt aktuell dem Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses von Florida vor. Eingebracht vom republikanischen Abgeordneten Alex Andrade würde das Gesetz es deutlich einfacher machen, Journalistinnen und Journalisten wegen Verleumdung zu verklagen. Der Entwurf widerspricht einem wegweisenden Urteil des Obersten Gerichtshofs (Supreme Court) der Vereinigten Staaten von 1964, der Medienschaffende vor Verleumdungsklagen schützt, wenn sie die Tätigkeiten von Amtsträgerinnen und Amtsträgern kontrollieren.
Wird das Gesetz verabschiedet, könnte dies dazu führen, dass es dem Obersten Gerichtshof vorgelegt wird, der aktuell eine mehrheitlich konservative Ausrichtung hat. Kritische Stimmen befürchten, dass in der Folge das Urteil von 1964 im Fall „New York Times gegen Sullivan“ aufgehoben werden könnte. Seit diesem Grundsatzurteil muss jede Person des öffentlichen Lebens, die eine Journalistin oder einen Journalisten wegen Verleumdung verklagen will, eindeutig nachweisen, dass die Äußerungen wider besseres Wissen oder böswillig getätigt wurden. Dies ermöglicht es Medienschaffenden, zu Personen des öffentlichen Lebens ohne Angst vor finanziellen Repressionen zu recherchieren und sie zu kritisieren.
Attacke auf „liberale Mainstream-Medien”
Das geplante Gesetz liegt auf einer Linie mit dem Kurs, den der republikanische Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, seit Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2019 gegen die Medien fährt. DeSantis hat ausdrücklich gefordert, das „New York Times gegen Sullivan“-Urteil aufzuheben. Nach Ansicht von DeSantis erlaubt das Urteil es den „liberalen Mainstream-Medien“, Konservative über Gebühr zu kritisieren, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Andere Republikaner-nahe Stimmen äußern sich ähnlich. DeSantis hat sich wiederholt zu diesem Thema zu Wort gemeldet und im Februar sogar eine eigene Podiumsdiskussion dazu auf seiner Facebook-Seite gestreamt.
Gouverneur DeSantis gilt als möglicher Präsidentschaftskandidat der Republikaner 2024 und damit als Konkurrent des ehemaligen Präsidenten Donald Trump. Wie Trump versucht auch DeSantis immer wieder, kritische Stimmen in den Medien zum Schweigen zu bringen. Während seiner Präsidentschaft fragte Trump etwa, was getan werden könnte, um Medienvertreter dafür zu bestrafen, dass sie ihm kritische Fragen stellen. Laut der New York Times diskutierte Trump 2017 mit dem damaligen FBI-Direktor James Comey die Möglichkeit, Medienschaffende zu inhaftieren, die Verschlusssachen veröffentlicht haben.
Die Lage der Pressefreiheit in den USA hat sich während der Amtszeit Trumps rapide verschlechtert. Im Jahr 2020, dem vierten Amtsjahr von Präsident Trump, wurde nach Zählung des US Press Freedom Tracker eine rekordverdächtige Zahl von 145 Medienschaffenden festgenommen, zusätzlich zu 856 anderen Arten von Aggressionen – die meisten davon waren vorsätzliche und nicht provozierte körperliche Angriffe auf Reporterinnen und Reporter. 2022 lag die Gesamtzahl der Aggressionen nur noch bei 127.
Reporter ohne Grenzen (RSF) / 20.03.2023
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