Anwaltsorganisationen haben im Istanbuler Justizpalast in Çağlayan eine Strafanzeige gegen Präsident Erdogan und die zuständigen Minister eingereicht, die ihren Pflichten vor und nach dem Erdbeben nicht nachgekommen sind. Vor dem Justizgebäude wurde von Esra Bilen, der Ko-Vorsitzenden der Anwaltsvereinigung ÖHD Istanbul, eine gemeinsame Erklärung vorgetragen. Vor einem Transparent mit der Aufschrift „Kein Erdbeben, sondern ein Massaker“ erklärte Bilen, dass das Erdbeben zwar als Naturkatastrophe gilt, aber aufgrund von Fahrlässigkeit zu einem Massaker ausgeartet ist.
Bilen wies darauf hin, dass alle Provinzen, die durch das Erdbeben schwer beschädigt wurden, zuvor als Erdbebengebiete bekannt waren. Trotzdem seien nicht widerstandsfähige und illegale Gebäude auf ungeeignetem Boden errichtet worden.
„Es handelt sich um vorsätzliche Tötung“
Bei dem Erdbeben seien viele öffentliche Gebäude, Schulen, Krankenhäuser, Studierendenwohnheime, Brücken, Eisenbahnen, Autobahnen sowie die Infrastruktur für die Strom- und Wasserversorgung beschädigt worden, führte Esra Bilen aus und sagte weiter: „Die Menschen blieben unter den Trümmern dieser Gebäude. Die schwerwiegenden Schäden an öffentlichen Gebäuden, die vom Staat errichtet wurden, sind in erster Linie auf die unsachgemäße Auswahl des Baugrundes bzw. das Versäumnis, ein für den Baugrund geeignetes Bauwerk zu errichten, sowie auf die Verletzung der einschlägigen Rechtsvorschriften zurückzuführen. Es muss klar gesagt werden, dass jeder Verlust von Menschenleben aufgrund dieser Situation ein vorsätzlicher Mord ist.“
Strafanzeige gegen alle Verantwortlichen
Bei der Generalstaatsanwaltschaft werde daher Strafanzeige gegen den Präsidenten, die zuständigen Minister sowie gegen alle Verantwortlichen wegen vorsätzlicher Tötung und Verletzung in Verbindung mit Fahrlässigkeit und Pflichtverletzung erstattet, kündigte Bilen an. Die Anzeige richte sich gegen den „Präsidenten der Republik und alle Minister, die Gouverneure, Bürgermeister und Zwangsverwalter in den Erdbebengebieten; die Bauunternehmer, die die eingestürzten Gebäude gebaut haben; die Architekten und Ingenieure, die diese Bauprojekte ausgearbeitet haben; die Kontrollingenieure, die Baugenehmigungen erteilt haben; Beamte der Bauaufsichtsbehörden, kurzum: alle Verdächtigen, die wir identifiziert haben und die die Staatsanwaltschaft von Amts wegen ermitteln muss“.
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