Die in der Türkei inhaftierte MA-Korrespondentin Ceylan Şahinli erklärt: „Es ist allgemein bekannt, dass wir nur deshalb im Gefängnis sind, weil wir Journalismus betrieben haben.“
Die Korrespondentin der Nachrichtenagentur Mesopotamya (MA), Ceylan Şahinli, ist am 25. Oktober 2022 in Riha (tr. Urfa) festgenommen worden, nach Ankara gebracht und dort zusammen mit acht weiteren Kolleg:innen inhaftiert worden. Die Frauennachrichtenagentur JinNews hat mit ihr ein schriftliches Interview über ihr Verfahren geführt.
„Kriminalisierung der Medien“
Über ihre Festnahme und Inhaftierung sagt Ceylan Şahinli: „Es wird versucht, meine gesamte Tätigkeit als Journalistin zu kriminalisieren. Meine Mitgliedschaft in der Journalistenvereinigung Dicle Firat (DFG), meine Arbeit als Korrespondentin in verschiedenen Städten, die Frage, ob ich auf eigenen Wunsch oder aus anderen Gründen Journalismus betreibe, meine Beiträge in den virtuellen Medien, von denen die meisten Nachrichtenbeiträge waren, und natürlich eine geheime Zeugenaussage, in der behauptet wird, ich hätte ,auf Anweisung‘ gearbeitet, machten es offenbar nicht nötig, mich zu einer Aussage vorzuladen, sondern schwer bewaffnet meine Wohnung zu stürmen. Ich wurde von einer dreißigköpfigen Polizeieinheit zusammen mit fünf anderen Betroffenen aus Riha und Amed nach Ankara gebracht. Die dabei erfolgten Schikanen wurden gefilmt und veröffentlicht. Die dadurch geschaffene Stimmung hat uns bereits die Wahrscheinlichkeit deutlich gemacht, dass wir inhaftiert werden. Aber man kommt dennoch nicht umhin, sich zu fragen, ‚Ist es wirklich so einfach?‘“
Immer wieder Ziel von Polizeigewalt
Ceylan Şahinli erzählt, dass sie für eine kurze Zeit in Ankara gearbeitet habe und in dieser Zeit bei ihrer Arbeit immer wieder Ziel von Polizeigewalt und Zeugin von Rechtsverletzungen geworden sei. Sie führt aus: „Wie meine Kolleginnen und Kollegen waren ich während Protesten und Demonstrationen körperlicher und verbaler Gewalt durch die Polizei ausgesetzt. Ich sehe unsere Verhaftung als Ausdruck des Grolls darüber, dass wir trotz all dieser Angriffe auf der Straße Journalismus betrieben haben.“
Nacktdurchsuchungen und Untersuchungen in Handschellen
Ceylan Şahinli sagt, dass sie Nacktdurchsuchungen, einer ärztlichen Untersuchung in Handschellen und der Verweigerung von Besuch erlebt habe. Sie berichtet: „Ich wurde in Handschellen medizinisch behandelt. Als Journalistin, die die Proteste von Ärztinnen und Ärzten gegen Rechtsverletzungen gegen sie verfolgt hat, hat es mich sehr traurig gemacht, diese entwürdigen Behandlung von einem Mediziner zu erfahren. Während die Gefängnisleitung keine unserer humanitären Forderungen ernst nimmt, reagiert sie bei der kleinsten Sache, die negativ gegen uns ausgelegt werden kann. Die Gesundheitsdirektion der Provinz Ankara hat auf meine Strafanzeige beim Gesundheitsministerium reagiert und die Untersuchung in Handschellen verteidigt.“
„Wir sind entschlossen, weiterzumachen“
Ceylan Şahinli weist darauf hin, dass der Staatsanwalt unmittelbar nach ihrer Verhaftung in den Urlaub gefahren sei: „Es ist, als ob alles, was getan werden muss, bereits getan wurde. Es gibt jedoch nichts, was eine Anklage gegen uns begründen könnte. Es ist allgemein bekannt, dass wir wegen unserer journalistischen Tätigkeit verfolgt werden. Es handelt sich um den juristischen Teil einer Operation, mit der wir gezwungen werden sollen, uns zurückzuziehen. Wir sollen wie die Kolleginnen und Kollegen in Amed daran gehindert werden, Journalismus zu betreiben. Wir sind jedoch entschlossen, unsere Arbeit überall und in jedem Bereich fortzusetzen. Unsere Kommunikation mit der Außenwelt ist zwar begrenzt, aber die begrenzten Möglichkeiten hier stehen dem nicht entgegen.“
„Die Kraft der Solidarität ist entscheidend“
Ceylan Şahinli sagt, in der Türkei herrsche eine privilegierte Gruppe, die unbegrenzte Freiheit genieße. Diese Gruppe handele in dem Bewusstsein, dass sie nicht strafrechtlich verfolgt werde, egal was sie tue. „Als diese gesellschaftliche Gruppe ihren Bereich immer weiter ausweitete, wurde es für die anderen Segmente der Gesellschaft eng. Es gab kaum noch Platz zum Atmen. Das geht so weit, dass heute selbst Grundrechte als Gnade betrachtet werden. Es ist wichtig, die sozialen Reflexe gegen diese Missachtung und Rechtswidrigkeit wach zu halten und die Kraft der Solidarität zu stärken.“