Mindestens elf Journalistinnen und Journalisten sind bei dem Sturm auf Regierungsgebäude in Brasilien am Sonntag (08.01.) attackiert worden. Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt den schweren Angriff auf die brasilianische Demokratie und die Gewalt gegen Medienschaffende, die in einer langen Tradition von Übergriffen durch Anhängerinnen und Anhänger des rechtsextremen ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro auf die Presse steht. Die brasilianischen Behörden müssen die Verantwortlichen für diese Eskalation identifizieren und verurteilen und der Gewalt gegen Medienschaffende im Land endlich ein Ende setzen.
„Die Szenen vom Sonntag zeigen, wie gewaltbereit die Putschisten sind – und das gegenüber Medienschaffenden, die nur ihre Arbeit machten, indem sie über eine beispiellose Attacke auf die brasilianische Demokratie berichteten“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Das Klima des Hasses, das Bolsonaro in den vergangenen Jahren befeuert hat, hat dazu geführt, dass Journalistinnen und Journalisten als Feinde wahrgenommen werden, die bekämpft werden müssen. Das muss endlich ein Ende haben. Diese Atmosphäre der Gewalt ist eine nachhaltige Bedrohung für die brasilianische Demokratie.“
Mehrere Medienschaffende berichteten von gewalttätigen Übergriffen während ihrer Berichterstattung über die Stürmung des Nationalkongresses, des Obersten Gerichtshofs und des Präsidentenpalastes am Sonntag in Brasilia. Nachdem Bolsonaro-Anhängerinnen und -Anhänger sie als Presse identifiziert hatten, wurden sie umzingelt, schikaniert, bedroht und teilweise geschlagen, manchen wurde die Ausrüstung gestohlen oder zerstört.
Fotografen von Agence France Press (AFP) und Reuters wurde ihre Ausrüstung in der Nähe des Präsidentenpalastes gestohlen. Ein Fotograf vom Portal Metrópoles wurde von zehn Personen umzingelt, angegriffen und ausgeraubt. Ein Reporter der Zeitung O Tempo wurde im Nationalkongress mit einer Waffe bedroht. Marina Dias, Mitarbeiterin der Washington Post, wurde belästigt, zu Boden gestoßen und körperlich angegriffen, als sie versuchte, ihr Telefon zu schützen.
Bereits in der ersten Woche des Jahres hatte es mindestens sieben Angriffe auf Medienschaffende gegeben, die meisten davon im Zusammenhang mit der Berichterstattung der Presse über Lager der Bolsonaro-nahen Putschbewegung, die sich vor Militärkasernen in verschiedenen Städten des Landes konzentrieren.
Laut einer Umfrage des Nationalen Journalistenverbands (FENAJ) und des Brasilianischen Verbands für investigativen Journalismus (Abraji) gab es seit dem Ende der Wahlen im Oktober 2022 mehr als 70 Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten, die über die Mobilisierung extremistischer Gruppen berichteten. Die Angriffe fanden in 19 Bundesstaaten und im Hauptstadtdistrikt statt und reichten von Drohungen über Belästigung und körperliche Angriffe bis hin zur Zerstörung von Ausrüstung und Schüssen sowie einer Brandstiftung in einer Nachrichtenredaktion.
Während des brasilianischen Wahlkampfs von August bis November 2022 dokumentierte RSF in den sozialen Netzwerken mindestens drei Millionen Nachrichten mit beleidigendem und gewalttätigem Inhalt gegen Medienschaffende und Medien im Allgemeinen. Die Ereignisse des vergangenen Sonntags beweisen, wie schnell dieses feindselige Klima gegen die Presse im digitalen Raum in körperliche Gewalt umschlagen kann.
Reporter ohne Grenzen (RSF) / 10.01.2023
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