Trotz hoher Neuverschuldung wird der Bundeshaushalt für das Jahr 2023 die Schuldenbremse einhalten. Wie eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, wird Deutschland dabei aber gegen die Maastricht-Kriterien verstoßen. Möglich machen das buchhalterische Tricks.
Die Schuldenbremse eingehalten und dennoch gegen die Maastricht-Kriterien verstoßen. Was bizarr klingt, ist mit dem Bundeshaushalt für 2023 Realität geworden. Auf der einen Seite hält sich die Bundesregierung bei einem Defizit von 45,6 Milliarden Euro an die Schuldenbremse. Über buchhalterische Kniffe bei den Sondervermögen wird die Schuldenneuaufnahme im kommenden Jahr voraussichtlich jedoch insgesamt 140 Milliarden Euro und somit 3,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) betragen und bricht damit das Stabilitätskriterium der Maastrichter Verträge. Diese sehen für EU-Mitgliedstaaten ein Defizit von maximal drei Prozent des BIP vor, sind seit 2020 aufgrund der Pandemie allerdings formal außer Kraft gesetzt.
Haushalts-Tricks der Ampel-Regierung
Möglich ist das, weil die Ampel-Koalition sich eines haushaltspolitischen Winkelzuges bedient. Angesichts der Corona- und Energie-Notlagen waren von 2020 bis 2022 die Regelgrenzen der Neuschuldenaufnahme ausgesetzt worden. Diese Ausnahmen haben die Haushälter genutzt, um große Kapitalstöcke in Sondervermögen anzusammeln, die nicht von der Schuldenbremse erfasst werden. Dazu zählt unter anderem der Wirtschaftsstabilisierungsfonds aus der Corona-Zeit oder der Klima- und Transformationsfonds.
Die Ampel-Koalition hat nun in diesem Jahr die Regeln verändert, wie sich die Sondervermögen auf die Schuldenbremse auswirken. Wird in Zukunft eine Ausgabe aus dem Sondervermögen beglichen, so verringert sie anders als früher nicht mehr den Verschuldungsspielraum für das betroffene Jahr. Das bedeutet: Die Regierung kann ihre zukünftigen Schulden in fast unbegrenzter Höhe in Krisenjahren aufschultern – und dabei trotzdem die Schuldenbremse einhalten.
Öffnung der Schuldenbremse notwendig
Diese Methode funktioniert, weil der Berechnung des Bundeshaushalts die Finanzstatistik zugrunde liegt und die Ampel-Koalition die Anrechnung von Zuführungen zu Sondervermögen im Rahmen der Schuldenbremse verändert hat. Demnach werden die Schulden nur im Jahr der Erstaufnahme im Haushalt verbucht. Die EU bedient sich bei ihrer Berechnung der Schulden jedoch der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Hier werden die Schulden in dem Jahr berücksichtigt, in dem die Gelder verwendet werden. Das zeigt: Eine kohärente Finanzpolitik auf europäischer Ebene ist nicht möglich, solange sich Deutschland an der Schuldenbremse orientiert.
„Es ist grotesk, dass Deutschland sich zwar an die strenge Schuldenbremse hält, aber gleichzeitig die großzügigen Maastricht-Kriterien reißen kann“, sagt IW-Haushaltsexperte Martin Beznoska. „Der ausufernde Einsatz von Sondervermögen muss enden. Stattdessen sollte die Bundesregierung die Schuldenbremse öffnen, damit transparente Investitionsspielräume entstehen“.
Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. / 11.01.2023