Mit den bevorstehenden Wahlen versucht der türkische Regimechef Erdoğan nicht nur die rassistische und nationalistische Stimmung in der Türkei anzufachen, sondern setzt auch auf homophobe, transphobe und sexistische Hetze. So machte Erdoğan in seiner Rede vor der Frauenorganisation der AKP-Jugend in Istanbul es der Opposition zum Vorwurf, sie würde für LGBTIQ+-Rechte eintreten, und kündigte an, nach den Wahlen „energisch“ gegen die Rechte von LGBTIQ+-Personen vorgehen zu wollen. Bereits zuvor hatte er das Eintreten für die Rechte von LGBTIQ+ als „Mittel einer globalen Diktatur“ bezeichnet.
AKP-Sekte an Kinderehe und sexualisierter Gewalt beteiligt
Gleichzeitig warf der Autokrat die Opposition vor, den Fall der juristischen Verschleppung der Zwangsverheiratung einer Sechsjährigen und der systematischen sexualisierten Gewalt, die darauf folgte, der Regierung anzulasten. Die heute 24-jährige Frau, die öffentlich nur unter den Initialen H.K.G. bekannt ist, hatte der Staatsanwaltschaft geschildert, wie ihr Vater Yusuf Ziya Gümüşel, einflussreiches Mitglied der islamistischen Ismail-Ağa-Sekte und Gründer der AKP-nahen Hiranur-Stiftung, sie im Jahr 2004 zwang, den damals 29-jährigen Kadir Istekli, der ebenfalls der Sekte angehörte, zu heiraten. Es sei Gümüşel persönlich gewesen, der die „Imam-Ehe“ seiner Tochter mit dem „Bräutigam“, der als Hodscha (Koranlehrer) in der stiftungseigenen Medrese arbeitete, schloss. Laut Anklageschrift wurde dem Kind fortan durch Istekli körperliche und sexualisierte Gewalt angetan. Als es 14 Jahre alt war, wurde die „Hochzeit“ gefeiert. Ab dem Zeitpunkt lebte H.K.G. mit Istekli unter einem Dach. Mit 17 wurde sie schwanger und bekam einen Sohn. 2012 versuchte sie das erste Mal, durch eine Anzeige aus ihrem Martyrium herauszukommen. Die Justiz ignorierte die Anzeige. Stattdessen wurde sie, als sie 18 Jahre alt war, sogar standesamtlich verheiratet. Obwohl H.K.G. ihren „Ex-Mann“ und ihre Eltern im November 2020 nochmals wegen Kindesmissbrauchs und erzwungener Heirat anzeigte, wurde der Fall zwei Jahre lang verschleppt. Erst als die Zeitung BirGün die Aussagen der Frau öffentlich machte, kam die Staatsanwaltschaft in die Gänge. Vertreter der türkischen Religionsbehörde DIYANET (in Deutschland DITIB) hatten zuvor immer wieder die Kinderehe gerechtfertigt.
Kampf gegen LGBTIQ+ das „wesentliche Thema“
Das „wesentliche Thema“, mit dem sich „alle, die sich um die Probleme der Frauen, Jugendlichen und Kinder in unserem Land kümmern“, sollten daher „die perversen Bewegungen, die unsere Kinder und alle zusammen bedrohen“ sein, sagte Erdoğan und bezog sich damit auf die LGBTI+-Bewegung. Eine Unterstützung der Bewegung ist für Erdoğan ein „Makel“, mit dem zu punkten versucht. So machte er der CHP und HDP zum Vorwurf, diese zu unterstützen. Er kündigte an: „So Gott will, werden wir diese großen Bedrohungen mit unseren Ministerien und Nichtregierungsorganisationen energischer bekämpfen.“ Bereits im November hatte er die LGBTIQ+-Bewegung als „Instrument einer globalen Diktatur“ bezeichnet.
Die jüngsten Äußerungen des Autokraten erfolgten, nachdem seine Partei dem türkischen Parlament einen Vorschlag für eine Verfassungsänderung vorgelegt hatte, in dem die Ehe als „Ehe zwischen Mann und Frau“ definiert werden sollte. Obwohl Ehen jenseits des heteronormativen Modells in der Türkei ohnehin verboten sind, versucht sich Erdoğan auf diese Weise erneut als rechtsextremer Vorkämpfer zu profilieren und die Stimmung im Land aufzuheizen.