Seit einigen Wochen läuft nun die aktuelle Geschenkaktion der in Bielefeld ansässigen gemeinnützigen Organisation „Initiative für Frieden und Hoffnung in Kurdistan e.V.” für Kinder und Jugendliche in Rojava, Mexmûr und Şengal. Die jährlich initiierte Kampagne mit dem Namen „Schenke ein Lächeln” ermöglicht durch Spenden, dass zahlreiche Kinder in Kurdistan prall gefüllte Taschen mit Winterbekleidung, Schulbedarf und Süßigkeiten erhalten. Noch bis zum 15. Januar sammelt der Verein Geldspenden, die an lokale Händler:innen vor Ort weitergeleitet werden. 25 Euro pro Tasche sind es, die ermöglichen, den Kindern in der Region eine Freude zu bereiten, sie die Sorgen über den andauernden Krieg für einen wertvollen Moment der Freude vergessen zu lassen, dringenden Bedarf zu decken und eine solidarische Brücke zwischen Kurdistan und Deutschland zu festigen.
Schweizer Bank kriminalisiert humanitäre Hilfe – „Das ist ein Skandal”
Mutlu Tatar, wohnhaft in der Schweiz, wollte ebenfalls für die Aktion „Schenke ein Lächeln” spenden. Die Überweisung in Höhe von 25 Euro auf das Konto der Bielefelder Initiative führte er über die PostFinance Bank aus. Tatar reagierte überrascht, als er den zurückgesendeten Betrag am nächsten Tag auf seinem Konto sah. Wenige Stunden später erreichte ihn ein Schreiben, in dem die Bank die Rücküberweisung erläutert: „Leider kann PostFinance Ihre Überweisung in Höhe von 25 Euro (…) nicht ausführen. PostFinance führt keine Transaktionen im Zusammenhang mit Kurdistan durch (auch wenn die Zahlung nicht nach Kurdistan erfolgt), da die Gefahr besteht, dass die Gelder im Ausland blockiert werden. Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen ist diese Zahlung bei PostFinance leider nicht möglich. Daher bitten wir Sie, diese Zahlung nicht erneut vorzunehmen (…).“
Tatar ist sichtlich empört über das Vorgehen seiner Bank, die Ausführung seiner Spende aufgrund der Nennung von „Kurdistan“ zu verweigern „Das ist ein Skandal. Dass die Schweiz selbst humanitäre Hilfe für Kinder in Kurdistan blockiert, zeigt deutlich, auf wessen Seite sie bei der Kriegspolitik gegen die Kurd:innen steht.“ Nach dem Vorfall forderte der Kurde die PostFinance Bank in einem Telefonat auf, Stellung zu dem Vorgang zu beziehen. Doch Informationen habe er nicht bekommen. „Man sagte, dass es sich um eine vertraulich zu behandelnde Angelegenheit handelt.“
Es ist nicht der erste Skandal, den sich die PostFinance Bank im kurdischen Kontext geleistet hat. 2020 sperrte das Geldinstitut das Konto der kurdischen Rothalbmondbewegung „Heyva Sor a Kurdistanê“ und ließ Ermittlungen gegen einige Personen einleiten, die Spenden überwiesen hatten. Ähnliches Vorgehen kenne man ebenfalls von der Credit Suise und UBS, den größten Banken der Schweiz, sagt Tatar.
Kurdistan wird kriminalisiert
„Es muss von allen in Kenntnis genommen werden, dass sich ein Land wie die Schweiz, das sich gegenüber der Welt als neutral zeigt, verantwortlich für einen Skandal in diesem Ausmaß ist. Es ist unverständlich, dass versucht wird, eine humanitäre Solidaritätsaktion für Kinder in Kurdistan zu blockieren. Mit diesem Verhalten wird nicht nur das Wort ‚Kurdistan‘ kriminalisiert, sondern das kurdische Volk.“ Die Begründung der Bank für die verhinderte Transaktion sei haarsträubend und der Umgang mit dem Fall erfordere eine öffentliche Thematisierung, meint Tatar. „Als Reaktion wird sich mein Umfeld mit einer größeren Summe an der Kampagne beteiligen. Bisher hatte ich mich als einziger an der Kampagne beteiligt. Aber nach diesem skandalösen Vorgehen haben sich viele meiner Freundinnen und Freunde dafür ausgesprochen, die Geschenkaktion zu unterstützen.“
Emine Gözen: „Wir sind empört und fordern eine Erklärung”
Emine Gözen ist Vorsitzende der Initiative für Frieden und Hoffnung in Kurdistan e.V. Sie erklärt zum Vorgehen der Berner PostFinance-Filiale: „Wir sind empört. Wir können uns unter keinen Umständen logisch erklären, warum der Spendenbetrag aus der Schweiz nicht auf unser Konto überwiesen werden konnte. Unsere Initiative ist eine anerkannte gemeinnützige Organisation in Deutschland und arbeitet nach geltendem Vereinsgesetz. Seit 2016 setzen wir in Kurdistan zahlreiche Projekte in den Bereichen Bildungs- und Kinderpatenschaften, Geschlechtergleichheit, Inklusion, Schulen, Universitäten, Waisenhäuser, Kunst, Kultur, Ökologie, Gesundheit und Stadtentwicklung um. Unsere Projekte sollen den Menschen helfen, ihre Zukunft selbstbestimmt zu gestalten. Durch Hilfe zur Selbsthilfe wollen wir den Menschen, denen jegliche Lebensgrundlagen entzogen wurden, ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und zukünftige Generationen dazu ermächtigen, nachhaltig an einer ökologisch gerechten und demokratischen Zivilgesellschaft mitzuwirken. Werte wie Gleichberechtigung, Menschenwürde und friedliche Koexistenz sind uns dabei die wichtigsten Orientierungsparameter. Unsere Organisation besteht aus zahlreichen ehrenamtlich arbeitenden Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts und konzentriert sich auf humanitäre Hilfe in Kurdistan, insbesondere für Kinder und Familien, die besonders unter den Folgen von Kriegen und Gewalt leiden. Unsere Arbeit lässt sich sowohl im Internet als auch in den kurdischen Regionen selbst und anhand unserer lokalen Arbeiten in Bielefeld verfolgen und erfährt viel diplomatische, finanzielle und politische Solidarität. Zu unseren Kooperationspartnern gehören die Stadt Bielefeld, Stiftungen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Vereine in Deutschland sowie zahlreiche Universitäten, Schulen, Gesundheitseinrichtungen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Kommunen in Kurdistan.“
„Der Krieg der Türkei bedroht die Zukunft der Region“
Als Vorsitzende der Initiative war Gözen mitten im Angriffskrieg der Türkei gegen Rojava (Nordostsyrien) vor Ort und hat die Auswirkungen des Krieges hautnah miterlebt. „Es war nicht unsere erste Reise in die Region, jedoch eine der Reisen, die uns am stärksten mitgenommen hat“, so die Aktivistin. Die Lage vor Ort sei katastrophal und nur ein winziger Bruchteil der zahlreichen Kriegsverbrechen der Türkei in Kurdistan erreiche die deutsche Medienlandschaft, betont Gözen.
„Der Krieg der Türkei bedroht die Zukunft der Region massiv. Die Menschen in Kurdistan sind dringend auf unser Handeln angewiesen. Umso entschlossener arbeiten wir an unseren Projekten und sind um Öffentlichkeit für die Thematik bemüht. Seit Beginn unserer Geschenkaktion freuen wir uns über die täglichen und großzügigen Spenden aus den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft. Die Tatsache, dass die PostFinance-Filiale in Bern eine Spende für humanitäre Hilfe an Kinder in Kurdistan mit der Begründung blockiert hat, dass keine Transaktionen im Kontext ‚Kurdistan‘ vorgenommen werden könnten, ist eine fatale und politisch brandgefährliche Entscheidung. Uns stellt sich die Frage, wie die Bank an ein solches Thema herangehen würde, wenn es sich um den Namen eines anderen Landes oder einer anderen Region und nicht um Kurdistan handeln würde.“
Gözen ergänzt: „Dass bereits das Wort Kurdistan ausreicht, um eine Überweisung auf ein deutsches Konto nicht ausführen zu können, stellt auf direktem Wege eine Kriminalisierung dar. Das Unterbinden und Kriminalisieren von humanitärer Hilfe kann nicht vereinbar mit der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft sein. Wir erwarten dringend eine ausführliche und persönliche Erklärung der Bank sowie die Offenlegung rechtlicher Hintergründe für dieses Vorgehen.“
Nicht einschüchtern lassen, Solidarität zeigen
Doch dieser Vorfall sollte niemanden einschüchtern, sich solidarisch mit Kurdistan zu zeigen. Im Gegenteil, meint Gözen. „Hier wird sichtbar, mit welchen Mitteln gegen Kurd:innen vorgegangen wird und wie humanitäre Hilfe für eine unter dem Krieg des NATO-Landes Türkei leidende Gesellschaft unterbunden wird. Hier werden Kriegsverbrechen beschwiegen und der Heilprozess einer Gesellschaft gestört. Wir wünschen uns, dass vor allem solche Hürden die Solidarität und damit die Unterstützung für unsere andauernde Geschenkkampagne verstärken. Nachdem wir unsere Kampagne beendet und die Einkäufe vor Ort durchgeführt und die Kinder in Kurdistan erreicht haben, werden wir die glücklichen Gesichter aus der Region mit der Öffentlichkeit teilen. Alle können dazu beitragen – lassen wir die Kinder in Kurdistan nicht allein, seien wir ihre Stimme und schenken wir ihnen gemeinsam ein Lächeln!“
Informationen rund um die Geschenkaktion „Schenke ein Lächeln” finden sich auf der Webseite der Initiative für Frieden und Hoffnung in Kurdistan e.V. https://www.initiative-kurdistan.org/
Spendenkonto:
Sparkasse Bielefeld
IBAN: DE53 480501610025482977
BIC: SPBIDE3BXXX
Verwendungszweck: Schenke ein Lächeln
PayPal: https://www.paypal.com/donate/?hosted_button_id=5WJXW3LAVA2T4