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Ruangrupa-Mitglieder bedauern den Antisemitismus-Streit auf der documenta nicht

DIE ZEIT

Drei Monate nach den Antisemitismus-Skandalen auf der documenta fifteen ziehen Reza Afisina und Iswanto Hartono vom indonesischen Künstlerkollektiv ruangrupa eine überwiegend positive Bilanz.

Drei Monate nach den Antisemitismus-Skandalen auf der documenta fifteen ziehen Reza Afisina und Iswanto Hartono vom indonesischen Künstlerkollektiv ruangrupa eine überwiegend positive Bilanz. „Dass in der Öffentlichkeit vor allem über Antisemitismus gestritten wurde, ist nichts, was ich bedaure – es ist wichtig!“, sagt Reza Afisina im Interview im Hamburg-Teil der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT. „Wir haben jetzt verstanden, dass wir uns mit der Geschichte des Antisemitismus in der Welt und auch in Indonesien befassen müssen.“

Als künstlerische Leitung der documenta in Kassel im Sommer 2022 hatte ruangrupa nicht einzelne Kunstwerke ausgewählt, sondern weitere Kollektive eingeladen, die selbst entscheiden konnten, was sie zeigen. Die meisten dieser Gruppen kamen aus Ländern des Globalen Südens, bislang ohne Zugang zum westlichen Kunstbetrieb. Ruangrupa bezeichnet sie als das „Lumbung-Ökosystem“. Einzelne ihrer Arbeiten wurden wegen massiver Antisemitismus-Vorwürfe aus der Ausstellung entfernt, darunter ein monumentales Banner der Gruppe Taring Padi und ein Videokonvolut der Gruppe Subversive Film.

Den Vorwurf, ruangrupa habe zu wenig Kontrolle über das Programm der Ausstellung gehabt, weist Iswanto Hartono zurück: „Wir haben bei dieser documenta zu zeigen versucht, welche Möglichkeiten es gibt. Man kann autoritär und sehr kontrolliert kuratieren oder die Zügel locker lassen und inklusiver sein. Beides hat Vor- und Nachteile. Wir wollen niemanden bekehren. Sie bevorzugen Hierarchien? Okay! Wir haben aber einen anderen Ansatz.“

Während das britische Magazin ArtReview ruangrupa gerade auf Platz eins seiner jährlichen „Power 100“-Liste wählte, halten viele deutsche Kritiker die documenta fifteen für gescheitert. Für Hartono kommen solche Urteile zu früh: „Für uns war die documenta nur der Anfang. Die Frage ist jetzt: Gelingt es uns, das Lumbung-Ökosystem auszubauen? Wie entwickelt es sich in den kommenden fünf oder zehn Jahren?“ Und er ist zuversichtlich: Das Netzwerk aus Künstlergruppen, das sich auf der documenta gebildet habe, „wächst wie ein Rhizom, es lernt aus seinen Fehlern, es heilt seine Wunden.“

Noch bis Sommer 2023 teilen sich Reza Afisina und Iswanto Hartono eine Gastprofessur an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg.

ZEIT Verlagsgruppe / 28.12.2022

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