Im Zentrum von Paris sind nach Schüssen vor einem kurdischen Kulturzentrum drei Menschen getötet und weitere verletzt worden. Zunächst war in Justizkreisen von zwei Toten und vier Verletzten gesprochen worden, darunter von zwei Schwerverletzten. Nun gab eine Ermittlerin bekannt, es handle sich um drei Tote. Der mutmaßliche Schütze konnte vor Ort von Anwohnenden und Zeugenpersonen überwältigt werden und befindet sich inzwischen in Polizeigewahrsam. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mordes und schwerer Gewalt.
Der Vorfall ereignete sich im 10. Arrondissement vor dem „Centre Culturel De Kurde Paris Ahmet Kaya“ in der Rue d’Enghien, einer kleinen Straße mit vielen Restaurants, nicht weit von den großen Boulevards mit ihren bekannten Kaufhäusern. Ein Zeuge gab gegenüber dem kurdischen Fernsehsender Medya Haber an, der Tatverdächtige sei mit einem Auto zum Tatort gebracht worden und habe unvermittelt auf Personen geschossen, die vor dem Verein warteten. Auch auf umliegende Geschäfte, darunter ein Friseursalon sowie ein kurdisches Restaurant gegenüber des Vereins, seien Schüsse abgegeben worden. Insgesamt habe es sieben oder acht Schüsse gegeben.
Über das Tatmotiv sei derzeit nichts bekannt, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit. Auch zur Identität des Schützen machte die Behörde bislang keine Angaben. Der Zeitung „Le Parisien“ zufolge handelt es sich bei dem Verdächtigen um einen 69-jährigen französischen Staatsbürger, der vor seiner Rente bei der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF gearbeitet hatte. Zuständig für die Ermittlungen gegen ihn ist zunächst die Justizpolizei, nicht die Terrorstaatsanwaltschaft.
Notaufnahme in Pariser Rathaus eingerichtet
Nach Berichten des französischen TV-Senders BFM TV war der mutmaßliche Schütze den Behörden bereits bekannt gewesen. Er soll vor rund einem Jahr ein Geflüchtetenlager angegriffen haben. Der stellvertretende Bürgermeister von Paris, Emmanuel Grégoire, schrieb auf Twitter, im Rathaus werde eine medizinisch-psychologische Notaufnahme eingerichtet. Sie sei für Menschen, die den Vorfall beobachtet haben. Außerdem dankte Grégoire den Sicherheitskräften für ihren raschen Einsatz. Seine Gedanken seien bei den Opfern und den Zeugen des Anschlags.
Kurdische Community: Anschlag weckt schlimme Erinnerungen
Ein Vertreter des kurdischen Kulturzentrums sagte, der Anschlag wecke „schlimme Erinnerungen“. Er sprach von einem „gezielten Angriff auf Kurdinnen und Kurden“ in der französischen Hauptstadt, da zum Angriffszeitpunkt eigentlich eine Versammlung für die Vorbereitung von Aktionen rund um den 9. Januar stattfinden sollte, die kurzfristig aber um einige Stunden verschoben wurde. Daher seien Befürchtungen laut geworden, dass der Tatverdächtige in der Absicht gehandelt haben könnte, ein „Massaker von Paris 2.0“ zu verüben. Am 9. Januar 2013 waren die kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez im Auftrag des türkischen Geheimdienstes in Paris ermordet worden. Ein Staatsgeheimnis blockiert bis heute die Aufklärung.
Tränengas auf kurdische Demonstrierende in Paris
Nach den tödlichen Schüssen beim kurdischen Kulturzentrum im zehnten Pariser Stadtbezirk kam es am Freitagnachmittag zu Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstrierenden nahe dem Tatort in der Rue d’Enghien. Sicherheitskräfte warfen Tränengas-Kartuschen in die Menge und traten auf am Boden liegende Personen ein. Aus der Demonstration flogen Fahnenstäbe und Schilder in Richtung der Polizei. Ob es Festnahmen gegeben hat, ist unklar.
Am Freitagmittag ist die kurdische Community von Paris Ziel eines rassistischen Attentats geworden. Mindestens drei Menschen sind von einem 69 Jahre alten Franzosen erschossen worden, drei weitere Personen wurden verletzt – eine davon schwebt noch in Lebensgefahr. Die Schüsse fielen vor dem „Centre Culturel De Kurde Paris Ahmet Kaya“, in einem Café sowie in einem Friseursalon. Bei allen Opfern handelt es sich um kurdische Aktivist:innen. Auf einem Überwachungsvideo ist zu sehen, wie der mittelgroße Täter in einem roten Anorak das Frisiergeschäft betritt und nach einem ersten Schuss versucht, weitere Kugeln abzugeben – was offenbar an einer Funktionsstörung der Waffe scheitert.
Die Auseinandersetzungen zwischen den Demonstrierenden und der Polizei brachen aus, kurz nachdem Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin dem Tatort einen Besuch abgestattet hatte. Dabei sagte er, das genaue Motiv des Todesschützen sei noch unklar. „Er wollte offensichtlich Ausländer angreifen“, ob speziell Kurd:innen, wisse man nicht. Als Rechtsextremist sei er bei den Sicherheitsbehörden jedenfalls nicht erfasst gewesen. Nach dem Angriff sollen kurdische Treffpunkte jedoch besonders geschützt werden, sagte Darmanin. Landesweit sollten durchgehend Wachen an Versammlungsorten der kurdischen Gemeinde aufgestellt werden. Auch türkische diplomatische Vertretungen im Land sollten geschützt werden, um „Gegenangriffe“ zu verhindern, Darmanin.
Zuvor fand Frankreichs Präsident Emmanuel Macron weitaus deutlichere Worte. Er sprach von einem „absichtlichen Angriff“ auf kurdischstämmige Menschen. „Die Kurden in Frankreich waren das Ziel eines niederträchtigen Angriffs mitten in Paris“, schrieb der Staatschef auf Twitter. Seine Gedanken seien bei den Opfern und ihren Angehörigen. Der französische Justizminister Eric Dupond-Moretti bezeichnete den Anschlag als „grausame Tragödie“.
Schütze kein Unbekannter
Französischen Medienberichten zufolge kannte die Polizei den Verdächtigen bereits. Der Sender France Info berichtete unter Berufung auf Polizeikreise, der Mann sei wegen zweier Mordversuche bekannt. Die Zeitung „Le Parisien“ meldete, dass der Franzose im vergangenen Jahr mit einem Säbel ein Lager für Geflüchtete attackiert, mehrere Menschen verletzt sowie Zelte zerstört habe. Er sei erst Mitte Dezember aus dem Gefängnis entlassen worden und habe sich seither unter Justizaufsicht befunden.
Täter von Kurden überwältigt und an Polizei übergeben
Auf dem Überwachungsvideo des Friseurgeschäfts ist außerdem zu sehen, dass der Angreifer von Mitarbeitern des Friseurladens überwältigt wird. Sie hätten den Mann so lange festgehalten, bis die Polizei am Tatort eintraf und den Schützen in Gewahrsam nahm. Deshalb sei es „heuchlerisch“, dass Emmanuel Grégoire, der erste stellvertretende Bürgermeister von Paris, sowie weitere Staats- und Regierungsvertreter:innen der Polizei für ihr „schnelles Handeln“ dankten, kritisierte der Kurdische Demokratische Rat Frankreichs (CDK-F). Weitaus störender sei, dass Menschen, die aufgrund der Trauer über den Verlust ihrer Freundinnen und Freunde wütend seien, gewaltsam von der Polizei angegangen würden.
Weitere Proteste angekündigt
Die Proteste in Paris halten indes an, auch in anderen französischen Städten sowie weiteren europäischen Ländern demonstrieren Kurdinnen und Kurden gegen die tödlichen Schüsse. Auch der Umgang der Pariser Polizei mit Mitgliedern der örtlichen kurdischen Community, unter ihnen Überlebende des Attentats, sorgt für Unmut. Für den morgigen Samstag ruft der KCDK-E zu einer Großdemonstration um 12 Uhr auf der Place de la République in Paris auf. Auch aus Deutschland und anderen Ländern fahren nachts Busse nach Paris.