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GRUMP

Kino

Mika Kaurismäkis Road-Trip ist skandinavisches Wohlfühlkino vom Feinsten: Mit einem lakonisch-schnodderigen Helden und jeder Menge Gelegenheit zum Schmunzeln.

Mika Kaurismäkis Road-Trip ist skandinavisches Wohlfühlkino vom Feinsten: Mit einem lakonisch-schnodderigen Helden und jeder Menge Gelegenheit zum Schmunzeln.

Grump ist Anfang 70 und ein Eigenbrötler. Seine beiden Söhne sieht er kaum, mit seinem Bruder Tarmo, der in Deutschland lebt, hat er jahrelang nicht gesprochen und im Grunde gibt es nur eines, was er nach dem Tod seiner Frau wirklich liebt: seinen kirschroten 1972er Ford Escort. Doch ausgerechnet der geht kaputt. Und das einzige noch auffindbare Exemplar befindet sich in Deutschland. Also macht sich Grump auf eine emotionale und turbulente Reise, die ihn auch zurück zu seinem Bruder führt.

Der neue Film in der Regie von Mika Kaurismäki (Drehbuch: Daniela Hakulinen und Tuomas Kyrö, nach Kyrös Roman) etabliert mit Grump (großartig verschroben und mit Verve gespielt: Heikki Kinnunen) einen Anti-Helden, der den Zuschauenden von Minute zu Minute mehr ans Herz wächst. Denn die direkte Art des älteren Mannes, der nicht lange um den heißen Brei herumredet, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Grump auch ein Herz hat – auch wenn er das selbst erst einmal erkennen muss. Kaurismäki inszeniert diese Reise zu sich selbst als einen unglaublich vergnüglichen Road Trip durch Deutschland, bei dem Grump auf viele ungewöhnliche Charaktere trifft und mit seinem Bruder (ein würdiger Dialog-Sparringspartner: Kari Väänänen) herrlich rotzige Wortscharmützel austrägt. Unterstützt wird die tragikomische Stimmung durch einen sonnigen Soundtrack und ein stimmiges Setting, in dem der kirschrote Ford Escort als im wortwörtlichen Sinne „roter Faden“ durch die Geschichte führt. Neben dem leisen und lakonischen Witz ist GRUMP auch ein sehr berührender Film über Familie – was sich gerade in der Nebenhandlung rund um die ungleichen Söhne Grumps zeigt, die ganz unterschiedliche Konflikte mit sich ausmachen müssen und in ihrer problematischen Beziehung zu ihrem Vater dennoch zusammenhalten. GRUMP ist skandinavisches Wohlfühlkino mit Ecken und Kanten – und jeder Menge Situationen zum Schmunzeln.

Jury-Begründung / Prädikat besonders wertvoll

Der Titelheld ist ein 72-jähriger finnischer Bauer, der nur das mag, was er kennt. So etwa seinen roten ’72er Ford Escort. Als er diesen zu Schrott fährt, begibt er sich auf eine Odyssee nach Deutschland, um dort genau das entsprechende Model wieder zu kaufen. Im ersten Akt erzählt Mika Kaurismäki in GRUMP die altbewährte Geschichte vom Landei, das in die große weite Welt gestoßen wird. Zum Flughafen fährt Grump mit seinem alten Traktor, und stellt ihn dort auf dem Parkplatz ab. Die Sicherheitsleute bei der Gepäckkontrolle stellen verblüfft fest, dass Grump seine selbst geernteten Kartoffeln mit auf die Reise nehmen will. Und in Hamburg wird Grumps Frage nach dem Escort natürlich missverstanden und er landet schnell in einem Bordell. Nach diesem furiosen Auftakt ändert Kaurismäki dann das Tempo und den Erzählstil seines Films, denn wenn der inzwischen ausgeraubte Grump von seinem Bruder aufgenommen wird, der als Nomade in einem Campingbus lebt, bekommt der Film eine unerwartete Tiefe. Denn hier wird von den Brüdern, deren unterschiedlichen Lebensentwürfen und den Kindern der beiden alten Männer erzählt, und dabei werden schließlich Familiengeheimnisse gelüftet, die das Klima zwischen den Geschwistern sowie den Vätern und ihren Kindern seit Jahrzehnten vergiftet hatten. Erzählt wird dies im Stil eines Roadmovies, denn die Brüder fahren auf der Suche nach einem Escort von Hamburg bis nach Magdeburg und an den Rhein. Mika Kaurismäki hat immer gerne Filme über Reisen gemacht. Nicht umsonst haben sie Titel wie HELSINKI NAPOLI, HIGHWAY SOCIETY oder ROAD NORTH. Auch hier ist er dann am besten, wenn er „on the road“ inszeniert und sich durch die verschiedenen Drehorte inspirieren lässt. Und als ein guter Regisseur weiß er auch, dass in einem Roadmovie der äußeren auch eine ebenso spannende innere Reise entsprechen muss. Diese beiden Ebenen verbindet er hier virtuos. Heikki Kinnunen gelingt es in der Titelrolle, erst wie ein komischer Griesgram zu agieren, die Figur dann aber immer verletzlicher und sympathischer wirken zu lassen. Und Mika Kaurismäki untersucht hier sehr unterhaltsam und komisch das komplizierte Verhältnis zwischen zwei Brüdern. Ein Thema, bei dem er sich gut auskennen dürfte.

Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) / 22.11.2022

Bildschirmfoto: FBW

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