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Suizidprävention vor Suizidhilfe

BÄK im Dialog

In Deutschland nehmen sich jedes Jahr etwa 10.000 Menschen das Leben. Die Zahl der Suizidversuche liegt um ein Vielfaches höher.

In Deutschland nehmen sich jedes Jahr etwa 10.000 Menschen das Leben. Die Zahl der Suizidversuche liegt um ein Vielfaches höher. Vor diesem Hintergrund forderte Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt zur Eröffnung der Tagung „BÄK im Dialog“, Suizidpräventionsangebote in Deutschland auszubauen, zu strukturieren und enger untereinander zu vernetzen. „Es ist gut und richtig, dass sich der Gesetzgeber intensiv und fraktionsoffen mit der Neuregelung der Suizidhilfe in Deutschland beschäftigt. Wir müssen aber vor allem auch die Frage stellen, wie wir mit Maßnahmen zur Suizidprävention Menschen erreichen können, die insbesondere aufgrund psychischer Erkrankungen Suizidgedanken haben“, sagte Reinhardt.

Auf der Tagung der Bundesärztekammer gab zunächst Prof. Dr. Karsten Gaede von der Bucerius Law School einen Überblick über die bislang in den Deutschen Bundestag eingebrachten Gesetzentwürfe zur Regelung der Suizidhilfe. Auch Gaede betonte, dass der Aspekt der Suizidprävention nicht aus dem Blick geraten dürfe. Vor allem die von Abgeordneten des Bundestages bereits geforderte Einrichtung einer bundesweiten und dauerhaft verfügbaren Krisen-Hotline für Menschen mit Suizidgedanken hielt er für einen bedeutsamen und notwendigen Schritt.

Aus wissenschaftlicher Perspektive beleuchtete Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention und der European Alliance Against Depression, das Thema Suizidprävention. Hegerl, der auch Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer ist, betonte, dass circa 90 Prozent der Suizide vor dem Hintergrund einer Depression oder anderer psychischer Erkrankungen erfolgen. In dem gemeindebasierten suizidpräventiven Interventionskonzept der Stiftung stellt die intensive Behandlung psychischer Erkrankungen deshalb einen wichtigen Baustein dar. Bezüglich der Suizidassistenz sei es wichtig auszuschließen, dass der Suizidwunsch Folge des Leidens und der verzerrten Weltsicht im Rahmen einer behandelbaren depressiven oder anderen psychischen Erkrankung ist. Dies sei oft nicht einfach. Hierfür sei eine gründliche Untersuchung durch erfahrene Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie nötig.

Dr. Christiane Schlang, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Leiterin der Abteilung Psychiatrie/Psychiatriekoordination der Stadt Frankfurt am Main, stellte in ihrem Vortrag kommunale Möglichkeiten der Suizidprävention vor. Sie berichtete über das im Jahr 2014 gegründete Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention (FRANS). Zu dem Netzwerk zählen unter anderem Kliniken, Rettungsdienste, Kirchen, die Polizei, städtische Ämter, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen. Schlang forderte verlässliche Finanzierungszusagen für kommunale Suizidpräventionsprogramme. Erforderlich sei eine flächendeckende Versorgung mit regionalen Suizidpräventionsstellen, die kommunal verankert und bundesweit vernetzt sind. Ebenso wie ihre Vorredner sprach sich auch Schlang für den Aufbau einer bundesweit einheitlichen Krisenhotline aus, die regional gesteuert wird.

San.-Rat Dr. Josef Mischo, Präsident der Ärztekammer des Saarlandes, Berufsordnungsexperte der Bundesärztekammer und Beauftragter des BÄK-Vorstandes für die Charta Palliativmedizin, befasste sich aus berufspolitischer Perspektive mit der Suizidprävention. „Ärztinnen und Ärzte müssen entsprechend der berufsrechtlichen Verpflichtung zur Ausübung des ärztlichen Berufes nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse eine sorgfältige und genaue Analyse der Hintergründe eines Sterbewunsches vornehmen. Die ethische Verpflichtung zum Erhalt der Gesundheit und zur Linderung von Leiden bedingt eine patienten- und diagnosebezogene adäquate Therapie im Sinne der Suizidprävention“, so Mischo. Voraussetzung hierfür sei, dass sich Ärztinnen und Ärzte zu diesen Aspekten umfänglich fortbilden könnten. Fortbildungsbedarf sieht Mischo zum Beispiel in der ärztlichen Gesprächsführung, zu Hintergründen von Suizidalität, diagnostischen Möglichkeiten und Kooperationen mit Fachexperten sowie zu Möglichkeiten der Suizidprävention.

Bundesärztekammer / 17.10.2022

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