Bei den brasilianischen Wahlen am 2. Oktober treten in diesem Jahr 182 Kandidierende aus 45 indigenen Völkern an. Sie stammen aus insgesamt 24 Bundesstaaten im Amazonasgebiet, im Nordosten und Südosten, im mittleren Westen und Süden Brasiliens. Die brasilianische Bevölkerung wählt neben dem Präsidenten neue Gouverneure sowie Abgeordnete des Senats und des Kongresses. Auch über die Landesparlamente in allen 26 Bundesstaaten wird abgestimmt. Hier kandidieren 30 Indigene, 21 weitere treten für die Abgeordnetenkammer in Brasilia an, drei bewerben sich auf Gouverneurs-Posten, einer für den Senat. Eine weitere Indigene kandidiert als Vize-Präsidentin zusammen mit der sozialistischen Präsidentschaftskandidatin Vera Lucia.
„Vier Jahre der indigenen-feindlichen Politik unter Jair Bolsonaro haben die indigene Bewegung in Brasilien noch stärker politisiert. Indigene Vertreterinnen und Vertreter möchten auf allen politischen Ebenen aktiv präsent sein und ihre Rechte direkt vertreten“, erklärt Dr. Eliane Fernandes, Referentin für indigene Völker bei der Gesellschaft für bedrohte Völker. „Seit Bolsonaros Amtsantritts erlebten die indigenen Völker Brasiliens enorme Rückschritte und etliche Menschenrechtsverletzungen und oft tödliche Angriffe auf ihre Gemeinschaften.“ Invasionen auf indigene Territorien, Landraub und Morde würden kaum noch geahndet. Besonders während der Corona-Pandemie nahmen Gewalt und Invasionen zu. Ohne Unterstützung der zuständigen Behörden mussten sich die indigenen Völker Brasiliens auf nationale und internationale Partnerorganisationen verlassen, die Angriffe und Menschenrechtsverletzungen öffentlich machten.
Fernandes betont: „Es ist Zeit, dass Brasilien einen besseren, humaneren Präsidenten wählt. Zugleich hoffe ich, dass so viele indigene Kandidatinnen und Kandidaten wie möglich gewählt werden, damit sie sich für ihre Rechte und gegen die Interessen der Großkonzerne durchsetzen können. Niemand kann indigene Interessen besser politisch vertreten als sie selbst.“
Die Mbya Guarani-Vertreterin Kerexu, Kandidatin als Abgeordnete für das Parlament in Brasilia, erklärt: „Wenn eine einzige Joenia Wapichana [die 2018 als Kongressabgeordnete gewählt wurde] es schaffte, einen Teil des Parlaments zu mobilisieren, um die indigenen Rechte und die Umwelt zu verteidigen, stellt euch zwei, drei, vier indigene Frauen im Parlament vor! Sie schaffte es zu arbeiten, wie eine indigene Vertreterin arbeitet, im Kollektiv.“
Sônia Guajajara, Kandidatin als Abgeordnete für das Parlament in Brasília sagt: „Unsere Kandidaturen bedeuten nicht ein Streben nach Macht, um Macht zu haben. Wir sind die Stimmen, die gehört werden müssen. Aber unser Kampf findet nicht nur auf politischer Ebene statt – es ist ein permanenter Kampf ums Überleben.“
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) / 26.09.2022