in ,

Vermeintlicher „CO2-Ausgleich“ für 1,1 Cent pro Liter Sprit

Deutsche Umwelthilfe verleiht Shell Goldenen Geier für die dreisteste Umweltlüge 2022

Mehr als 20.000 Menschen haben online abgestimmt: Die Shell Deutschland GmbH mit großem Abstand zum dreistesten Umweltlügner gewählt

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verleiht in diesem Jahr den Schmähpreis „Goldener Geier“ an die Shell Deutschland GmbH. Entschieden haben das mehr als 20.000 Verbraucherinnen und Verbraucher, die online über die „dreisteste Umweltlüge des Jahres“ abgestimmt haben. Der Grund: Der Mineralölkonzern behauptet, dass Autofahrende für nur 1,1 Cent zusätzlich pro Liter getanktem Benzin oder Diesel die CO2-Emissionen der eigenen Fahrt ausgleichen könnten. Aus Sicht der DUH und der großen Mehrheit der Abstimmenden signalisiert Shell damit, Autofahrerinnen und Autofahrer könnten ihr Fahrzeug ohne schlechtes Gewissen und Klimaschäden nutzen. Tatsächlich stoßen sie jedoch weiterhin ungemindert CO2 aus. Und wie genau diese klimaschädlichen Emissionen in Projekten am anderen Ende der Welt ausgeglichen werden sollen – zudem mit nur 1,1 Cent pro Liter – diese Rechnung lässt das Unternehmen im Unklaren. Auch kein Wort von Shell dazu, wie man die CO2-Bindung über die notwendigen Jahrhunderte absichern will.

Die DUH hat den Schmähpreis heute an der Konzernzentrale von Shell in Hamburg übergeben. Das Unternehmen weigerte sich trotz Vorankündigung, den Preis entgegenzunehmen.

DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz: „Mehr als 1.200 eingereichte Vorschläge machen deutlich: Greenwashing von Unternehmen ist kein Einzelfall und ein echtes Aufregerthema für die Menschen – verständlicherweise. Die dreisteste Umweltlüge verbreitet in diesem Jahr nach Ansicht der Verbraucherinnen und Verbraucher der Mineralölkonzern Shell. Kein Wunder: Mit grünem Gewissen auf deutschen Autobahnen rasen, egal wie hoch der Spritverbrauch ist – und das für den Ablassbetrag von nur 1,1 Cent pro Liter Kraftstoff? Das ist unmöglich. Mit dem Werbeversprechen des CO2-Ausgleichs will Shell die Menschen in die Irre führen, um weiterhin und noch mehr Geld mit fossilem und schädlichem Sprit zu verdienen. Den Schaden tragen Umwelt und Klima – und nicht zuletzt Unternehmen, die ehrlich an wirklich umwelt- und klimafreundlichen Produkten arbeiten. Das lassen wir Shell nicht durchgehen!“

Das Ausmaß der Umweltlüge zeigt sich, wenn man Shells Logik vom vermeintlichen CO2-Ausgleich für 1,1 Cent zu Ende denkt. Demnach würden rund 225 Millionen Euro jährlich ausreichen, um den gesamten jährlichen Benzinverbrauch in Deutschland „klimaneutral“ zu machen – obwohl real trotzdem mit jedem Kilometer klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre gelangt. Die Kostendimension geht jedoch nicht auf: Legt man die vom Umweltbundesamt ermittelten tatsächlichen Klimakosten einer Tonne CO2 zugrunde, ergibt sich für den gesamten Benzinverbrauch in Deutschland die Summe von rund 9,7 Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommt, dass Shell den CO2-Ausgleich durch den Ankauf von Emissionsgutsschriften für Wald- und Wiederaufforstungsprojekte im globalen Süden begründet. Insbesondere die Kompensationswirkung dieser Projekte ist jedoch zweifelhaft, unter anderem weil CO2-Emissionen für eine sehr viel längere Zeit in der Atmosphäre verbleiben, als die Bindung von Kohlenstoff in Bäumen des Kompensationsprojekts es ausgleichen kann.

Die DUH geht bereits juristisch gegen Shell und fünf weitere Unternehmen vor – wegen Verbräuchertäuschung mit vermeintlicher „Klimaneutralität“.

Agnes Sauter, Leiterin Ökologische Marktüberwachung: „Produkte und Dienstleistungen als klima- oder CO2-neutral zu bewerben, ist oftmals Verbrauchertäuschung – und das Beispiel Shell zeigt das eindrücklich. Was das Unternehmen betreibt, ist ein CO2-Ablasshandel, um sich grün zu waschen. Hinter der behaupteten Klimaneutralität stecken nämlich häufig fragwürdige Kompensationsprojekte, die sich bei genauerem Hinsehen als untauglich erweisen. Mit echtem Klimaschutz hat das nichts zu tun. Wirklich klimafreundliche Entscheidungen können Verbraucherinnen und Verbraucher aber nur dann treffen, wenn sie ehrliche und transparente Informationen über die Klimaschädlichkeit einzelner Produkte oder Dienstleistungen erhalten.“

Mehr als 1.200 Vorschläge von Bürgerinnen und Bürgern sind in diesem Jahr für den Goldenen Geier eingegangen. Shell hat die anschließende Abstimmung mit großem Vorsprung gewonnen (32 Prozent der Stimmen). Auf den weiteren Plätzen folgen:

  • Lufthansa für das Werbeversprechen von „CO2-neutralem“ Fliegen (17 Prozent)
  • McDonald’s für die BetterM-Kampagne (15 Prozent)
  • HelloFresh wegen Verpackungswahnsinn (14 Prozent)
  • Edeka für seine Schummel-Mehrwegtüten (12 Prozent)
  • Volvic von Danone für ihre Einweg-Plastikflaschen (10 Prozent)

Die DUH fordert von allen nominierten Unternehmen, ihre Firmenpolitik zu ändern und auf wirklich nachhaltige Produkte und Verfahren umzustellen. Gegen die Umweltlüge von Shell startet die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation eine Petition gemeinsam mit Nachhaltigkeitsbloggerin Marisa Becker (@mysustainableme). Bürgerinnen und Bürger können ab jetzt unter https://www.change.org/shell-greenwashing unterschreiben und so den Druck auf Shell erhöhen.

Hintergrund:

Mit dem „Goldenen Geier“ ruft die DUH zum gemeinsamen Kampf gegen Greenwashing auf. Verbraucherinnen und Verbraucher haben die Möglichkeit, Unternehmen, Produkte oder Dienstleistungen zu nominieren, die Klima- oder Umweltfreundlichkeit versprechen, in Wahrheit aber Umweltsünder sind. Unter den häufigsten Einreichungen und dreistesten Beispielen stellt die DUH dann die finalen Kandidaten für die Online-Abstimmung zur Wahl. Ziel des Schmähpreises ist es, auf die Problematik von Greenwashing im Allgemeinen aufmerksam zu machen, Verbraucherinnen und Verbraucher zu warnen und auch ganz konkret Produkte zu enttarnen, mit denen Menschen getäuscht werden. Letztendlich sollen Unternehmen dazu bewegt werden, ehrliche und ökologische Produkte auf den Markt zu bringen.

Deutsche Umwelthilfe (DUH) / 21.09.2022

Foto: DUH / © Stachowske

What do you think?

10k Points
Upvote Downvote

Meksika’da protesto: 39 yaralı

“Kemik kanseri mahpus Hüseyin Durmaz, tahliye edilsin”