Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat den Bundestag aufgefordert, den Gesetzentwurf der Bundesregierung für die 27. BAföG-Novelle grundlegend nachzubessern. „Der Gesetzentwurf sieht eine Reihe Verbesserungen vor, die von SPD, Grünen und FDP verschobene grundlegende Reform lässt jedoch auf sich warten. Die Studierenden, Schülerinnen und Schüler dürfen aber nicht mit einem Reförmchen vertröstet werden, sondern brauchen eine echte Reform“, sagte Andreas Keller, stellvertretender GEW-Vorsitzender und Vorstandsmitglied für Hochschule und Forschung, nach der Verabschiedung eines Dringlichkeitsantrags zum Thema BAföG auf dem außerordentlichen Gewerkschaftstag der Bildungsgewerkschaft in Leipzig. Der Bundestag wird sich morgen abschließend mit der Novelle befassen.
Keller begrüßte, dass die Koalitionsparteien dem Vernehmen nach die BAföG-Bedarfssätze statt wie ursprünglich geplant in 2022 um fünf Prozent nun um 5,75 Prozent erhöhen will. „Bedenkt man, dass das Statistische Bundesamt die Inflationsrate für Mai auf 7,9 Prozent beziffert hat, bleibt aber auch diese Anhebung weit hinter dem Bedarf zurück. Um eine spürbare BAföG-Erhöhung zu erreichen, müssten diese kräftiger erhöht werden. Unser Ziel ist ein BAföG-Höchstsatz mindestens in Höhe des steuerlichen Existenzminimums von 1.200 Euro“, sagte Keller.
Einen deutlich noch kräftigeren Sprung verlangt die Bildungsgewerkschaft bei den Freibeträgen für die Anrechnung des Einkommens der Eltern. „Nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung würde die von der Koalition geplante Anhebung der Freibeträge um 20 Prozent den Anteil der Studierenden, die BAföG erhalten, gerade mal um 1,8 Prozentpunkte erhöhen. Derzeit liegt die Quote mit elf Prozent auf einem historischen Allzeittief. Acht von neun Studierenden müssen sich ohne einen Cent Ausbildungsförderung durchs Studium schlagen. Studienabbrüche sind die Folge und verschärfen den Fachkräftemangel, unter dem viele Branchen, auch der Bildungsbereich, leiden. Wenn die Ausbildungsförderung wieder in der Breite wirken soll, müssen die Freibeträge um 50 Prozent erhöht werden“, betonte der GEW-Hochschulexperte.
Enttäuscht zeigte sich Keller, dass die Bundesregierung die überfällige strukturelle Erneuerung der Ausbildungsförderung zurückstelle. „Anders als im Koalitionsvertrag versprochen packt die Koalition weder die Senkung des Darlehensanteils des BAföG zugunsten einer Zuschussförderung noch die Auszahlung eines elternunabhängigen Garantiebetrags für alle Studierenden an. Auch Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen sollen weiter in die Röhre schauen. Die Ampel muss nachlegen und mehr Fortschritt wagen“, mahnte der GEW-Vize.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) / 22.06.2022
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