Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) aufgefordert, rasch einen Gesetzentwurf für eine radikale Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) vorzulegen. „Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass das Gesetz gründlich überarbeitet werden muss, hat ihn die im Mai veröffentlichte Evaluation im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geliefert: 84 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Universitäten werden mit einem Zeitvertrag abgespeist, über 40 Prozent von ihnen mit einer Vertragslaufzeit, die kürzer als ein Jahr ist. Wir brauchen daher jetzt eine mutige und grundlegende Reform des Sonderbefristungsrechts für die Wissenschaft, die für Dauerstellen für Daueraufgaben sorgt“, sagte der stellvertretende GEW-Vorsitzende und Hochschulexperte Andreas Keller mit Blick auf eine gemeinsame Erklärung, die die Bildungsgewerkschaft mit sieben weiteren Organisationen heute veröffentlicht hat. Anlass dafür ist eine Konferenz des BMBF zur Reform des WissZeitVG am Montag in Berlin, an der er als Redner teilnimmt. Ein Video des BMBF hatte vor etwa einem Jahr den Anstoß für die seitdem auf Twitter unter dem Hashtag #IchBinHanna geführte Debatte über prekäre Beschäftigung in der Wissenschaft gegeben.
Das WissZeitVG ist 2007 in Kraft getreten und 2016 schon einmal novelliert worden. Doch die kürzlich veröffentlichte Evaluation zeige, dass die Novelle nicht gewirkt habe, erklärte Keller. „Eine Trendwende hin zu mehr Dauerstellen ist ausgeblieben, die Laufzeiten der Zeitverträge haben sich nicht nachhaltig verlängert. Instrumente zum Nachteilsausgleich bei Kinderbetreuung, Behinderung oder chronischer Erkrankung sowie pandemiebedingten Beeinträchtigungen laufen weitgehend ins Leere. Eine grundlegende Reform des Befristungsrechts in der Wissenschaft ist daher überfällig“, so der GEW-Hochschulexperte.
„Der Begriff der wissenschaftlichen Qualifizierung, die gemäß WissZeitVG die Befristung eines Arbeitsverhältnisses erlaubt, muss präzise definiert werden. Nach der Promotion kommt eine Befristung allenfalls dann in Frage, wenn diese mit einem planbaren Entfristungsverfahren verknüpft wird. Vertragslaufzeiten müssen gewährleisten, dass das Qualifizierungsziel tatsächlich erreicht werden kann – niemandem ist geholfen, wenn Promovierende mit einer halbfertigen Doktorarbeit auf die Straße gesetzt werden. Nachteilsausgleiche müssen in Form eines verbindlichen Anspruchs auf Vertragsverlängerungen ausgestaltet werden. Die Tarifsperre, die Gewerkschaften und Arbeitgebern verbietet, vom Gesetz abweichende Befristungsregelungen auszuhandeln, muss endlich aus dem Gesetz gestrichen werden“, mahnte der GEW-Vize.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) / 27.06.2022
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