Aus Anlass des bevorstehenden Westbalkan-Gipfels hat die Gesellschaft für bedrohte Völker heute an die Europäische Kommission und die EU appelliert, Bosnien und Herzegowina in seinem Streben nach Demokratie und Selbstbestimmung zu unterstützen. Dafür sei zum einen eine realistische Perspektive für einen EU-Beitritt notwendig. Zum anderen müsse die EU jegliche Zusammenarbeit mit sezessionistischen und ultra-nationalistischen Kräften beenden. Besonders vor dem Hintergrund des aggressiven russischen Verhaltens läge das im zentralen Interesse Europas.
„Die Regierungen Serbiens und Kroatiens haben ihr Ziel aus den 90er Jahren wieder ausgenommen: Sie wollen Bosnien und Herzegowina entlang ethnischer Linien aufteilen und ihren jeweiligen Staaten einverleiben“, erklärt Jasna Causevic, GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung. „Dafür bekommen sie tatkräftige Unterstützung aus dem Kreml, der so seine Einfluss-Sphäre weiter nach Westen ausdehnen will.“ Der einzige Weg, das nachhaltig zu verhindern und den Bosnien und Herzegowina langfristig zu stabilisieren sei ein beschleunigter EU- und NATO-Beitritt des Staates.
Zugleich versuchten deutsche EU-Parlamentarier wie David McAllister (CDU) und Manfred Weber (CSU, Fraktionsvorsitzender der EVP im EU-Parlament), das kriegsgeschundene Land in einer dauerhaften Warteschleife zu halten. „Sie hofieren sezessionistische Politiker wie den serbischen Nationalisten Milorad Dodik und den kroatischen Nationalisten Dragan Covic in Bosnien“, erinnert Causevic. „Solange diese gefährlichen Extremisten Unterstützung durch Akteure und Institutionen der EU bekommen, kann Bosnien keinen Frieden finden.“
Die GfbV appelliert daher an die Europäische Kommission und die EU, jegliche Zusammenarbeit und mit denjenigen Kräften beenden, die den Staat zersetzen und an einem EU-Beitritt hindern wollen. Die Menschenrechtsorganisation fordert wenige Tage vor dem 27. Jahrestag des Völkermordes in Srebrenica einen Kandidatenstatus für Bosnien und Herzegowina. Nur so könne ein neuer Krieg vermieden und die derzeitige Ostgrenze der EU dauerhaft stabilisiert werden. Das letzte, was Europa brauche, sei ein wieder aufflammender Konflikt an seinen Grenzen, der eine Ausdehnung der russischen Einflusssphäre ermöglicht.
Gesellschaft für bedrohte Völker / 20.6.2022