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„Die kurdischen Medien werden ihren Weg finden“

Nahezu unbeachtet von der Öffentlichkeit sind in der Türkei 16 Journalistinnen und Journalisten als vermeintliche Terroristen verhaftet worden. Der MA-Redakteur Sedat Yilmaz erklärt, dass die kurdischen Medien ihre Arbeit trotz der Repression fortsetzen.

Nahezu unbeachtet von der Öffentlichkeit sind in der Türkei 16 Journalistinnen und Journalisten als vermeintliche Terroristen verhaftet worden. Der MA-Redakteur Sedat Yilmaz erklärt, dass die kurdischen Medien ihre Arbeit trotz der Repression fortsetzen.

Am 8. Juni wurden in Amed (tr. Diyarbakir) 22 Personen, darunter 20 Journalist:innen, festgenommen, gegen 16 von ihnen wurde Haftbefehl erlassen. Verhaftet wurden die Chefredakteurin der Frauennachrichtenagentur JinNews, Safiye Alagaş, der Ko-Vorsitzende der Journalistenvereinigung DFG, Serdar Altan, der Redakteur der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA), Aziz Oruç, der Redaktionsleiter der Zeitschrift Xwebûn, Mehmet Ali Ertaş, sowie die Journalist:innen Ömer Çelik, Zeynel Abidin Bulut, Mazlum Doğan Güler, Ibrahim Koyuncu, Neşe Toprak, Elif Üngür, Abdurrahman Öncü, Suat Doğuhan, Remziye Temel, Ramazan Geciken, Lezgin Akdeniz und Mehmet Şahin. Die JinNews-Redakteurinnen Gülşen Koçuk und Esmer Tunç sowie Mehmet Yalçın, Kadir Bayram, Feynaz Koçuk und Ihsan Ergülen wurden gegen Auflagen freigelassen.

Den Journalist:innen wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation vorgeworfen, gemeint ist die PKK. Der MA-Redakteur Sedat Yilmaz hat sich in Istanbul gegenüber ANF zu den Verhaftungen geäußert. Er sagt, dass es immer Repression gegen kurdische Medien gegeben hat. Diese habe sich zwar je nach Zeit und politischer Epoche in ihrem Ausdruck unterschieden, aber im Prinzip habe jede Epoche von der vorherigen gelernt. „Die Repression gegen die kurdische Presse und Institutionen haben sich lediglich den unterschiedlichen Umständen der jeweiligen Zeit angepasst, im Grunde wurde aber jedes Mal einfach nur das mit Gewalt nachgemacht, was aus den vorherigen Epochen gelernt wurde. Der Grund für die aktuellen Repressionen liegt in der Erfolglosigkeit der türkischen Militäroperation in Südkurdistan und darin, dass man den Weg frei machen will für eine mögliche Militäroperation in Rojava. Das Ziel ist, die kurdischen Medien zum Schweigen zu bringen. Die Stimme der Kurdinnen und Kurden soll abgewürgt werden, sie sollen von der Welt isoliert werden. Dazu kommt, dass im Vorfeld der nächsten Wahlen der demokratische Block, der die Kurden unterstützt, zum Schweigen gebracht und zerschlagen werden soll. Man versucht, die Verbreitung von Nachrichten über Feminizide, Ausbeutung von Arbeit und die verschiedenen Völker und Religionen zu verhindern.“

Die festgenommen Journalist:innen wurden zu ihren Nachrichten befragt

Nach einer Woche in Polizeihaft seien die Journalisten bei der Staatsanwaltschaft vor allem zu ihren Nachrichten befragt worden, so Yilmaz: „Unsere Kolleginnen und Kollegen wurden nach den Inhalten der von ihnen gemachten Nachrichten befragt, nach Telefonaten mit ihren Quellen, nach der Politik der Verlage, für die sie arbeiten, und nach der Sprache ihrer Berichterstattung. Zum Beispiel wurde einer unserer Kollegen, der als Kameramann arbeitet, gefragt, welche Art von Programmen er aufnehmen würde. Eine Kollegin, die mal als Köchin gearbeitet hat, wurde gefragt, von wem und auf welchem Wege sie ihr Geld bekam.“

Sogar eine Sendung über eine Kampagne des weltbekannten Musikers Roger Waters für die inhaftierte kurdische Musikerin Nûdem Durak wurde als Straftat gewertet, sagte Yilmaz und führte weiter aus: „Es wurde auch behauptet, dass Reportagen mit der KCK-Führung Instruktionen beinhaltet hätten und die verhafteten Journalistinnen und Journalisten dementsprechend berichtet hätten. In den Akten finden sich zudem alte Anschuldigungen, wie zum Beispiel die Vorwürfe einer Berichterstattung über den Start von Kampfflugzeugen aus dem Jahr 2009. Ömer Çelik wurde gefragt, warum er in seinem Programm ,Blick aus Amed‘ über Themen wie die Isolation von Abdullah Öcalan und die Assimilation oder Unterdrückung der kurdischen Sprache berichtete.“

Kurdistan als Labor für antidemokratische Praxis

Die Antiterrorgesetzgebung hänge seit vielen Jahren wie ein Damoklesschwert über den kurdischen Medien, sagte Yilmaz und erklärte weiter: „Unseren Widerspruch wollte niemand hören oder sehen, denn in erster Linie ist die kurdische Presse davon betroffen. Wenn heute im Parlament ein Zensurgesetz verabschiedet wird, werden damit auch die letzten Stimmen zum Schweigen gebracht. Es wird versucht, sich einen ,Rosengarten ohne lästige Dornen‘ zu erschaffen. Aber wir haben es in der Vergangenheit gesagt und wir sagen es heute immer noch: Die kurdischen Gebiete werden als Labor für antidemokratische Praktiken genutzt, diese werden dort getestet und dann landesweit eingesetzt. Und das erleben wir jetzt. Diejenigen, die die Meinungsfreiheit immer nur für sich selbst in Anspruch genommen haben, merken jetzt, dass sie an der Reihe sind, aber jetzt ist es für sie zu spät.“

Sedat Yılmaz betonte, dass MA und die anderen kurdischen Medien trotz des Drucks weiterhin Nachrichten veröffentlichen werden: „Die kurdische Presse stammt aus einer Tradition, die viel Schlimmes durchgemacht hat. Nicht nur Festnahmen und Verhaftungen, mehr als 50 Mitarbeitende wurden erschossen, Verlagshäuser wurden in die Luft gesprengt, aber die unbeirrte Tradition des Widerstands findet ihren eigenen Weg. Wenn kein Weg zu finden ist, wird einer erschaffen. Wir sind heute mit allen Wassern gewaschen und unsere Erfahrung macht uns stärker gegen autoritäre Regime und antidemokratische Praktiken. Mein Kollege Ömer Çelik sagte auf dem Weg ins Gefängnis: ,Ihr tragt jetzt unsere Last.‘ Diese Worte sind unser Leitfaden.“

RONI ARAM / ANF

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