Das Parlament hat die Reform des EU-Wahlaktes eingeleitet. Aus 27 getrennten Wahlen mit unterschiedlichen Regeln soll eine einheitliche Europawahl werden.
Am Dienstag nahm das Parlament einen legislativen Initiativbericht an. Ziel dieses Berichts ist die Überarbeitung der Vorschriften für die Europawahl. Der Vorschlag wurde mit 323 zu 262 Stimmen bei 48 Enthaltungen und die dazugehörige Entschließung mit 331 zu 257 Stimmen bei 52 Enthaltungen angenommen
Das Parlament schlägt darin ein Zweistimmensystem für die Europawahl vor: eine Stimme für die Wahl der Abgeordneten in den Wahlkreisen der Mitgliedstaaten und eine weitere für einen EU-weiten Wahlkreis, in dem 28 zusätzliche Sitze vergeben werden. Um auf diesen Listen für geografische Ausgewogenheit zu sorgen, sollen die Mitgliedstaaten je nach ihrer Bevölkerungszahl in drei Gruppen eingeteilt werden. Auf diesen Listen sollen Kandidatinnen und Kandidaten aus diesen drei Gruppen proportional vertreten sein. EU-weite Kandidatenlisten sollten von europäischen Wahleinheiten wie Bündnissen einzelstaatlicher Parteien oder einzelstaatlicher Wählervereinigungen bzw. von europäischen Parteien eingereicht werden.
Das Parlament möchte auch gegen das Geschlechtergefälle vorgehen – trotz der allgemeinen Verbesserung bei der letzten Wahl wurde in einigen EU-Staaten keine einzige Frau ins Europäische Parlament gewählt. Es schlägt daher verbindliche Listen nach dem Reißverschlusssystem (d. h. abwechselnd weibliche und männliche Kandidaten) oder Quoten vor. Die Rechte nicht-binärer Menschen sollen dabei nicht verletzt werden.
Um die Wahl europaweit einheitlicher zu gestalten, wird außerdem Folgendes vorgeschlagen:
- 9. Mai als europaweiter Wahltag
- passives Wahlrecht für alle Europäerinnen und Europäer ab 18 Jahren
- verbindliche Sperrklausel von 3,5 % für Wahlkreise, in denen mindestens 60 Sitze vergeben werden
- gleicher Zugang zu den Wahlen für alle, auch für Menschen mit Behinderungen, und Ermöglichung der Briefwahl sowie
- Recht der Bürgerinnen und Bürger darauf, den Kommissionspräsidenten nach dem Spitzenkandidatensystem über EU-weite Listen zu wählen
Außerdem soll eine neue Europäische Wahlbehörde eingerichtet werden, die das Verfahren überwacht und für die Einhaltung der neuen Vorschriften sorgt.
Nächste Schritte
Nach Artikel 223 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union müsste die Gesetzesinitiative des Parlaments vom Rat einstimmig angenommen werden. Danach würde sie wieder dem Parlament vorgelegt, damit es seine Zustimmung erteilt, und anschließend müsste sie von allen Mitgliedstaaten im Einklang mit ihrem jeweiligen Verfassungsrecht gebilligt werden. Die Verhandlungen mit dem Rat beginnen, sobald die Mitgliedstaaten ihren Standpunkt festgelegt haben.
Zitat
Berichterstatter Domènec Ruiz Devesa (S&D, Spanien): „Diese Reform wird die Sichtbarkeit der europäischen politischen Parteien erhöhen und sie – und insbesondere ihre Kandidaten auf den EU-weiten Listen – in die Lage versetzen, in der gesamten EU Wahlkampf zu führen, so dass wir eine echte gesamteuropäische Debatte bekommen. Die Bürgerinnen und Bürger werden in dem Bewusstsein zur Urne gehen, dass sie für europäische politische Organisationen und für Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten stimmen. Das Parlament hat dem Rat die klare Botschaft übermittelt, dass es höchste Zeit ist, das EU-Wahlrecht zu ändern, damit die Europawahl auch die heutige politische Realität angemessen widerspiegelt.“
Hintergrundinformationen
Der Europäische Wahlakt stammt aus dem Jahr 1976. Er wurde 2002 und 2018 geändert. Die letzte Änderung ist jedoch noch nicht in Kraft. Der Wahlakt enthält gemeinsame Grundsätze, die in den Gesetzen der Mitgliedstaaten über die Wahl zum Europäischen Parlament beachtet werden müssen. In seiner derzeitigen Fassung legt der Akt jedoch kein EU-weit einheitliches Wahlsystem fest.
Europäisches Parlament / 03.05.2022