Am Wochenende flogen türkische Kampfdrohnen wieder Angriffe auf kurdische Ziele im Nordosten Syriens. Beim Angriff auf ein Fahrzeug wurden am Samstag eine Person getötet und zwei weitere verletzt. Unter den Verletzten befindet sich der in der Region beliebte Dichter Farhad Marde. In der vergangenen Nacht kam es zu weiteren Drohnenangriffen, bei denen ein assyrischer Christ, Angehöriger der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) schwer verletzt wurde. Die SDF bekämpfen in Syrien den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS). „Das türkische Militär scheint seine Angriffe auf Minderheiten in Syrien zu intensivieren. Denn wegen des Krieges in der Ukraine lässt die russische Armee den türkischen Präsidenten gewähren. Zugleich ist die Nato besonders auf die Türkei angewiesen“, erklärt Dr. Kamal Sido, Nahostexperte der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). „Bundesregierung und Nato kritisieren die andauernden völkerrechtswidrigen Angriffe auf ethnische und religiöse Minderheiten in Syrien mit keinem Wort. Sie verspielen damit in der Region jede Glaubwürdigkeit.“
Kurdischen Quellen zufolge sind bei türkischen Drohnenangriffen in den vergangenen zwei Jahren hunderte Menschen gezielt getötet oder verletzt worden, darunter Frauen und Kinder. Weder die Nato, noch Russland, die den Luftraum über Syrien kontrollieren, kritisieren die nahezu täglichen Angriffe der Türkei. Diese treffen neben der kurdischen häufig die christliche, yezidische, alevitische und andere Minderheiten. „Das Regime des türkischen Präsidenten Erdogan nutzt Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine für eigene imperiale Ziele“, berichtet Sido. „Während die Nato, die EU und Deutschland die Machthaber in China wegen ihrer Unterstützung für Putin zu Recht kritisieren, schweigen sie zum Verhalten des türkischen Machthabers Erdogan.“ Wie China weigert sich auch die Türkei, die westlichen Sanktionen gegen Putin mitzutragen.
„Wer zu Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen von heute schweigt, nimmt Genozide von morgen in Kauf“, so Sido. „Anstatt die Verbrechen klar zu benennen, versucht die deutsche Bundesregierung die Proteste gegen Angriffskriege ihres Partners zu kriminalisieren.“ Auf Betreiben des Bundesinnenministeriums verfolgt die deutsche Justiz Kurden und ihre Unterstützerszene mit der Begründung, sie verstießen gegen das Vereinsverbot. Das 1993 verhängte und völlig überholte PKK-Verbot schwebe wie ein Damoklesschwert über den Köpfen derer, die Kriege, Verfolgung, Vertreibung der kurdischen, yezidischen, alevitischen oder christlichen Minderheiten durch die Türkei oder islamistische Milizen verurteilen. Diese Praxis stoße inzwischen auf breite Ablehnung bei den Opfern und dürfe nicht länger aufrechterhalten werden.
Gesellschaft für bedrohte Völker / 04.04.2022