In der Türkei hat sich erneut unter dem Deckmantel „Suizid“ ein verdächtiger Todesfall in Haft ereignet. Bei dem Opfer handelt es sich um Sinan Kaya, der im Hochsicherheitsgefängnis in Reşqelas (tr. Iğdır) inhaftiert war. Seit acht Monaten saß der 28-Jährige eine Freiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren wegen des Vorwurfs der „Terrorpropaganda“ ab. Am Samstag sei die Familie des politischen Gefangenen dann von der Vollzugsleitung telefonisch darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass Kaya sich „in seiner Einzelzelle“ das Leben genommen habe. Sein Leichnam befände sich in einem Krankenhaus und sei zur Bestattung bereits freigegeben, habe es weiter geheißen.
Dieser wurde inzwischen abgeholt und am Wohnort der Familie Kaya in der westlich von Reşqelas gelegenen Gemeinde Xoşxeber bestattet. Dort wurde auch eine Kondolenzstelle für Trauerbekundungen eingerichtet. Angehörige äußerten Zweifel an der Selbstmord-These der Leitung des Gefängnisses und riefen einschlägige Organisationen auf, die Todesumstände von Sinan Kaya restlos aufzuklären.
Kurz vor seinem Haftantritt soll Sinan Kaya noch eine Lungentransplantation erhalten haben, äußerten die Eltern. Dass er suizidal gewesen sein könnte, wollen weder sie noch andere glauben, die Kaya in Xoşxeber kannten. Das endgültige Obduktionsergebnis im Fall Sinan Kaya stehe weiterhin aus, in einem vorläufigen Bericht würden keine Angaben zur Todesursache gemacht.
S-Typ-Gefängnisse für „Lebenslängliche und Terroristen“ konzipiert
Bei der Vollzugsanstalt in Reşqelas handelt es sich um ein Hochsicherheitsgefängnis vom Typ S, in dem Gefangene in Einzelhaft untergebracht werden. Diese Einrichtungen, die es in der Türkei noch nicht allzu lange gibt – laut dem türkischen Justizministerium gibt es nur drei solcher Gefängnisse – sind eigens für „Lebenslängliche“ konzipiert worden. „Allerdings können in den S-Typ-Gefängnissen mit besonderer Sicherheitsstufe auch Terroristen oder andere gefährliche Gefangene einsitzen“, heißt es auf der Webseite des Ministeriums.
Zehn Gefangene seit Jahresbeginn gestorben
Mit Sinan Kaya sind seit Anfang des Jahres mindestens zehn Gefangene in Haft ums Leben gekommen, einige von ihnen angeblich durch Suizid oder tödliche Herzinfarkte. Die HDP machte erst an diesem Wochenende auf die lebensgefährlichen Zustände in den Gefängnissen in der Türkei aufmerksam und forderte die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. Die Vollzugsanstalten seien „Zentren der Misshandlung und Folter“, erklärten die beiden Sprecher:innen für auswärtige Angelegenheiten, Feleknas Uca und Hişyar Özsoy, in Ankara. Einschlägige Organisationen müssten endlich Maßnahmen gegen die „unmenschliche Situation in türkischen Gefängnissen“ ergreifen, bevor es zu spät ist.