Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine fordern die Abgeordneten mehr Verteidigungsanstrengungen der EU und weitere Schritte, um die Energieabhängigkeit von Moskau zu verringern.
Am Mittwochmorgen debattierten die Abgeordneten mit der estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas und dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell über die Rolle Europas in einer sich ändernden Welt und die Sicherheitslage des Kontinents nach der russischen Aggression gegen die Ukraine.
Zu Beginn der Debatte legte die Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola dar, was die EU als nächstes tun muss, um auf die russische Invasion und die Versuche des Kremls zu reagieren, die europäische Sicherheitsordnung zu destabilisieren: „Wir müssen die Rolle Europas in dieser neuen Welt neu bewerten. Wir müssen unsere Investitionen in Verteidigung und innovative Technologien erhöhen. Wir müssen nun entschlossen voranschreiten, um die Sicherheit aller Europäer zu gewährleisten. Es ist an der Zeit, eine echte Sicherheits- und Verteidigungsunion aufzubauen und unsere Abhängigkeit vom Kreml zu verringern. Was wir bisher an europäischer Zusammenarbeit, Solidarität und Einigkeit gesehen haben, ist beispiellos – und muss das Konzept für unsere Zukunft sein.“
Die estnische Premierministerin Kaja Kallas erinnerte die Abgeordneten daran, dass sie selbst das Kind einer Deportierten ist, die Stalin nach Sibirien schickte, und lobte die Maßnahmen der EU zur Unterstützung der Ukraine und die Solidarität der europäischen Bürgerinnen und Bürger mit den Kriegsflüchtlingen. Sie warnte aber auch: „Das ist ein langfristiges Unterfangen. Wir werden uns in strategischer Geduld üben müssen, denn der Frieden wird nicht morgen ausbrechen.“
Premierministerin Kallas forderte eine „Politik der intelligenten Eindämmung“. Sie betonte die Notwendigkeit, dass die EU „härter und schneller darauf drängt, unsere Energieabhängigkeit von russischem Gas und Öl zu verringern“ und die europäische Verteidigung „Hand in Hand mit der NATO“ zu stärken. In Bezug auf die Zukunft der Ukraine sagte sie: „Es liegt nicht nur in unserem Interesse, der Ukraine eine Beitrittsperspektive zu geben, sondern es ist auch unsere moralische Pflicht, dies zu tun. Die Ukraine kämpft nicht für die Ukraine, sie kämpft für Europa. Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte seinerseits, dass der andauernde Krieg „Spuren in der Geschichte hinterlassen wird“ und dass die EU und ihre Bürger nun endlich gemeinsame Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Energieabhängigkeit von Russland zu verringern. Dazu gehöre auch, den Bürgern zu erklären, „dass unsere Lebensweise einen Preis hat“. Europa wird Opfer bringen müssen, um auf Russland zu reagieren, und die Folgen dieses Krieges werden lang anhaltend sein und die europäische Politik auf Jahre und Jahrzehnte hinaus prägen, sagte er.
Stärkung der europäischen Verteidigung, Notwendigkeit neuer europäischer Asylregeln, Verringerung des russischen Gases
Während einer ersten Debattenrunde der Fraktionssprecher redeten Arnaud Danjean (EVP, Frankreich), Iratxe García Pérez (S&D, Spanien), Nathalie Loiseau (Renew Europe, Frankreich), Ska Keller (Grüne/EFA, Deutschland), Jaak Madison (ID, Estland), Anna Fotyga (EKR, Polen), und Martin Schirdewan (Die Linke, Deutschland).
In ihren Beiträgen verwiesen viele Abgeordnete auf die gescheiterten Bemühungen der EU, ihre Verteidigungskapazitäten zu stärken. Sie begrüßten den neuen Strategischen Kompass zur Gewährleistung der Sicherheit in der EU und drängten auf einen gemeinsamen Vorstoß, um die Europäische Verteidigungsunion voranzubringen, forderten jedoch Anstrengungen aller Mitgliedstaaten, um ihre Zusagen in die Tat umzusetzen. Sie betonten auch die Notwendigkeit, dass die EU weniger russisches Gas und Öl nutzt, mehr in grüne Technologien und Energiespeicherung investiert und ein angemessenes Migrationssystem für die Aufnahme von Flüchtlingen und die Aufteilung der Verantwortung einführt.
Einige Abgeordnete wiesen darauf hin, dass Investitionen in die Sicherheit mehr bedeuten als nur Ausgaben für das Militär, sondern zum Beispiel auch die Unterstützung kritischer Infrastrukturen, die Widerstandsfähigkeit gegenüber Cyberangriffen und die Beschleunigung des grünen Wandels. Andere forderten wirksamere Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seine Oligarchen, mehr Steuertransparenz und die die Verlangsamung des Wettrüstens.
Europäisches Parlament / 09.03.2022
Foto: Europäische Union