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Bericht über türkisches Agentennetz in Brüssel vorgestellt

Agentennetz

Auf einer Pressekonferenz in Brüssel ist ein detaillierter Bericht über Anschlagspläne, Morddrohungen, Agentennetzwerke und Einschüchterungsversuche des türkischen Staats in Europa vorgestellt worden.

Die kurdischen Politiker Remzi Kartal und Zübeyir Aydar, die Rechtsanwälte Antoine Comte und Jan Fermon sowie die Investigativjournalisten Erk Acarer und Hayko Bağdat haben im Brüsseler Presseclub einen detaillierten Bericht über Anschlagspläne, Morddrohungen, Agentennetzwerke und Einschüchterungsversuche des türkischen Staats in Europa vorgestellt. Hintergrund der Pressekonferenz ist der bevorstehende Prozess um den geplanten Anschlag auf Remzi Kartal und Zübeyir Aydar in Brüssel. Angeklagt sind vier Personen, die als Mitglieder eines türkischen Todeskommandos an dem versuchten Attentat 2017 mitgewirkt haben sollen. Konkreter Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung als auch die Beteiligung an ihr. In der Anklageschrift tauchen Verbindungen des Killerkommandos zum Palast von Präsident Recep Tayyip Erdogan auf.

Eigentlich hatte der in Brüssel anhängige erstinstanzliche Prozess im Oktober beginnen sollen. Die Verteidiger der Angeklagten hatten beim Auftakt jedoch eine Fristverlängerung erhalten, um ihre Verteidigung vorzubereiten. Das Verfahren soll am 11. März fortgesetzt werden.

In dem vorgestellten Bericht wird dargelegt, wie der türkische Staat Europa als Operationsfeld nutzt, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. In den Prozessakten finden sich Hinweise auf ein breites Agentennetz für Attentate und Spionage in europäischen Ländern. Unter anderem geht es um die Rolle des ehemaligen türkischen Botschafters in Paris, Ismail Hakki Musa, bei dem Mord an den kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez im Jahr 2013. Viele Hinweise in den Akten deuten darauf hin, dass auch das Brüsseler Killerkommando von dem ehemaligen Botschafter koordiniert wurde. Zudem hatten die Angeklagten direkte Verbindungen nach Ankara, die bis in den Präsidentenpalast reichten. Erkenntnisse aus der technischen Observierung sowie Fotos und Aussagen bestätigen, dass ein Todeskommando auf Befehl aus Ankara seit den Pariser Morden von 2013 bis zum geplanten Anschlag in Brüssel in Europa agiert hat. Außerdem gibt es Hinweise zu den Verbindungen der Angeklagten zu Erdogans Chefberater Seyit Sertçelik sowie zum pensionierten Brigadegeneral und Gründer des türkischen Söldnerkonzerns SADAT, Adnan Tanrıverdi, der 2016 in den Beraterstab von Erdogan berufen wurde und an Treffen des Nationalen Sicherheitsrats (MGK) teilnimmt.

Aydar: „Oppositionelle sollen zum Schweigen gebracht werden“

Zübeyir Aydar, Mitglied im Exekutivrat der KCK, kritisierte auf der Pressekonferenz, dass in Frankreich nach den Pariser Morden von 2013 keine ernsten Ermittlungen geführt wurden. Diese Haltung werde trotz neuer Informationen beibehalten, obwohl die türkische Staatsführung in Frankreich angeklagt werden müsse. Das türkische Agentennetz ziele darauf ab, Oppositionelle in Europa zum Schweigen zu bringen, so Aydar: „Das gilt nicht nur für uns, sondern für alle Oppositionellen. Die europäischen Staaten müssen dringend Maßnahmen ergreifen.“

Öffentliche Auftritte in Deutschland nur mit schusssicherer Weste

Die Journalisten Erk Acarer und Hayko Bağdat, die aus der Türkei stammen und im Exil in Deutschland unter Polizeischutz leben, erläuterten auf der Pressekonferenz weitere Erkenntnisse über die Verbrechen des türkischen Staats, einschließlich Drogen- und Waffenhandel, und die Unterdrückung der Opposition. Acarer wurde über Video aus Berlin zugeschaltet und sagte, dass insbesondere seit 2010 paramilitärische Strukturen gegen Oppositionelle eingesetzt werden.

Hayko Bağdat sprach von zunehmender Denunziation in Europa, der türkische Staat habe allein in Deutschland Tausende Informanten. Mitten in Europa gebe es eine kriminelle Vereinigung, die auf Befehl des ehemaligen AKP-Abgeordneten Metin Külünk vorgehe und aus Ankara finanziert werde. Külünk stand insbesondere mit den „Osmanen Germania“ in Verbindung.

„Die in der Türkei stattfindende Polarisierung hat inzwischen auf die Straßen Europas übergegriffen. In der Gesellschaft wird Hass geschürt und es ist zu Anschlagsversuchen durch paramilitärische Kräfte gekommen“, erklärte Bağdat, der bei öffentlichen Auftritten in Deutschland eine schusssichere Weste trägt. In Europa gebe es viele weitere aus der Türkei stammende Oppositionelle, die unter Polizeischutz stehen würden.

Kartal kritisiert ausbleibende Konsequenzen für die Türkei

Remzi Kartal, Ko-Vorsitzender von Kongra-Gel, kritisierte die ausbleibenden Konsequenzen für die türkische Staatsführung in Europa. Die EU-Länder verhielten sich heuchlerisch und machten sich mitschuldig an den Verbrechen des Erdogan-Regimes. Der kurdische Politiker äußerte dennoch die Hoffnung, dass der Prozess in Brüssel eine Öffentlichkeit schaffen und Druck auf den türkischen Staat ausüben könne.

Die vier Angeklagten im Brüsseler Prozess

Die Ermittlungsakte im Brüsseler Verfahren stand lange Zeit unter Geheimhaltung. Die belgische Staatsanwaltschaft hielt die Prozesseröffnung zunächst nicht für notwendig und hatte eine Einstellung des Verfahrens angeregt. Und dass, obwohl die mutmaßliche Täterschaft der Beschuldigten an dem Todeskommando und ihre Absicht, mitten in Europa einen Anschlag auf kurdische Politiker durchführen zu wollen, laut Rechtsanwalt Jan Fermon aufgrund „erdrückender Indizien“ nicht in Zweifel gezogen werden könnten. Im Vordergrund der Ermittlungen stehen verschiedene Namen. Ganz oben auf der Liste sind Zekeriya Çelikbilek, ein ehemaliger Soldat der türkischen Armee mit Wohnsitz in Paris, und Yakup Koç. Letzterer hielt sich in diversen europäischen Ländern auf. Es handelt sich um jene Personen, die im Juni 2017 beim Ausspähen der KNK-Zentrale in Brüssel von der Polizei observiert worden waren.

Kurde als Informant angeworben

In der schwarzen Mercedes-Limousine saß neben Zekeriya Çelikbilek und Yakup Koç, der sich als „Albay“ (Oberst) vorstellte und einen türkischen Polizeiausweis bei sich trug, auch Hacı Akkulak. Der kurdischstämmige Mann war von dem Todeskommando zur Informationsgewinnung für den türkischen Nachrichtendienst angeworben worden. Als er erkannte, dass das eigentliche Ziel darin bestand, politische Attentate an Kurden zu begehen, informierte er die kurdischen Stellen und die belgische Polizei. Ein weiterer Verdächtiger ist Necati Demiroğlulları aus Gent. Der türkische Geschäftsmann gilt als Logistikverantwortlicher des Attentatskommandos. Außerdem ist er der Schwiegersohn von Yakup Koç.

ANF

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