Angesichts des russischen Einmarschs in die Ukraine soll der Fischerei- und Aquakultursektor in der EU mit neuen Krisenmaßnahmen unterstützt werden. Das hat die EU-Kommission am Freitag beschlossen. Der dafür aktivierte Krisenmechanismus des Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds ermöglicht es den Mitgliedstaaten, Marktteilnehmer, die sich wegen des Krieges mit Verlusten konfrontiert sehen, finanziell zu unterstützen. „Unsere Fischerei-, Aquakultur- und Verarbeitungssektoren werden durch die hohen Energie-, Sauerstoff- und Rohstoffpreise hart getroffen“, sagte Virginijus Sinkevičius, Kommissar für Umwelt, Ozeane und Fischerei. „Nach der COVID-19-Pandemie ist dies bereits das zweite Mal in den letzten Jahren der Fall und wir ergreifen erneut schnelle Maßnahmen, um die Unternehmen während dieser Turbulenzen zu unterstützen.“
Die Krisennotmaßnahmen würden die langfristigen Bemühungen der EU um eine strukturelle Energiewende im Fischerei- und Aquakultursektor zur Erreichung der Ziele des Europäischen Green Deals in keiner Weise behindern, so Sinkevičius weiter. Um diese Ziele zu unterstützen, haben Kommissar Sinkevičius und der stellvertretende geschäftsführende Direktor des Europäischen Investitionsfonds, Roger Havenith, Montag unabhängig von den Maßnahmen zur Krisenbewältigung eine neue Eigenkapitalinitiative im Rahmen von InvestEU für die blaue Wirtschaft ins Leben gerufen. Diese umfasst alle Wirtschaftszweige und Sektoren im Zusammenhang mit Ozeanen, Meeren und Küsten – unabhängig davon, ob sie direkt in der Meeresumwelt (z. B. Schifffahrt, Fischfang, Energieerzeugung) oder an Land (z. B. Häfen, Werften, landgestützte Aquakultur und Algenproduktion sowie Küstentourismus) angesiedelt sind.
Für die Eigenkapitalinitiative werden 500 Mio. Euro mobilisiert, die aus dem Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds, von der EIB-Gruppe und aus Mitteln von InvestEU stammen. Gefördert werden nachhaltige kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-ups aus der blauen Wirtschaft, denen dadurch über Finanzintermediäre insgesamt 1,5 Mrd. Euro an Risikofinanzierung zur Verfügung stehen. Die Aufforderung zur Interessenbekundung wird in Kürze vom Europäischen Investmentfonds veröffentlicht.
Nicht nur kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-ups, sondern alle Akteure des Fischerei- und Aquakultursektors können im Gegensatz dazu von dem nun beschlossenen Krisenrahmen profitieren. Er ergänzt den bereits aktivierten Befristeten Krisenrahmen, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, staatliche Beihilfe an Unternehmen zu vergeben, wenn diese durch die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine negativ beeinflusst werden. Vorgesehen sind im Rahmen des Krisenmechanismus zwei Arten von Maßnahmen:
- Finanzielle Ausgleichszahlungen an Akteure des Fischerei-, Aquakultur- und Verarbeitungssektors für Einkommensverluste und zusätzliche Kosten, die durch die derzeitigen Marktstörungen verursacht werden. Zusätzliche Energiekosten können durch den Ausgleich abgedeckt werden, wenn sie mit der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine zusammenhängen.
- Finanzieller Ausgleich für Erzeugerorganisationen, wenn sie den Speichermechanismus der gemeinsamen Marktorganisation anwenden („Speicherbeihilfe“). Dieser Mechanismus ermöglicht es den Erzeugerorganisationen, die Erzeugnisse ihrer Mitglieder einzulagern, um so ein zufriedenstellendes Preisniveau auf dem Markt zu sichern.
Der neu beschlossene Krisenmechanismus ist eine befristete Maßnahme, die bis Ende des Jahrs läuft. Er gilt rückwirkend ab dem 24. Februar 2022 – dem Beginn des russischen Krieges in der Ukraine. Die Mitgliedstaaten können entscheiden, ob sie ihn in Anspruch nehmen wollen oder nicht.
Hintergrund
Viele EU-Fischer fahren derzeit nicht aufs Meer. Der Grund dafür liegt in den durch die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine gestiegenen Energiepreise: Die gesamte EU-Flotte ist praktisch unrentabel geworden. Fischereifahrzeuge, die im Schwarzen Meer operieren, sind zudem mit der Bedrohung durch mögliche militärische Aktivitäten konfrontiert, was zu einer vorsorglichen Aussetzung ihrer Tätigkeit führt. Der Aquakultur- und Verarbeitungssektor leidet ebenfalls unter dem Anstieg der Energie- und Rohstoffkosten sowie unter den hohen Logistik- und Transportkosten. Es wird erwartet, dass der Fischmarkt einen negativen Versorgungsschock erleiden wird – sowohl bei frischen (EU-) Fischereierzeugnissen (aufgrund der Entscheidung, nicht auf See zu gehen), als auch bei bestimmten verarbeiteten oder haltbar gemachten Erzeugnissen als Folge der Rohstoffknappheit.
EU-Kommission / 28.03.2022
Foto: EU-Kommission