Im März wird der Brüsseler Prozess um den geplanten Anschlag auf die kurdischen Politiker Remzi Kartal und Zübeyir Aydar fortgesetzt. Angeklagt sind vier Personen, die als Mitglieder eines türkischen Todeskommandos an dem versuchten Attentat 2017 mitgewirkt haben sollen. Konkreter Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung als auch die Beteiligung an ihr. In der Anklageschrift tauchen Verbindungen des Killerkommandos zum Palast von Präsident Recep Tayyip Erdogan auf.
Eigentlich hatte der an einer Strafkammer in Brüssel anhängige erstinstanzliche Prozess im Oktober beginnen sollen. Die Verteidiger der Angeklagten hatten beim Auftakt jedoch eine Fristverlängerung erhalten, um ihre Verteidigung vorzubereiten. Das Verfahren soll am 11. März fortgesetzt werden. Vorab wird es am kommenden Dienstag im Brüsseler Presseclub eine Konferenz geben, die vom Kurdischen Institut organisiert wird. Die Referierenden werden Fragen zum laufenden Verfahren beantworten, Hintergrundinformationen zu dem 2017 verhinderten Anschlag liefern und einen Bericht vorstellen, in dem die Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes in Europa detailliert dargestellt werden.
Bei der Pressekonferenz werden sprechen: Jan Fermon, belgischer Rechtsanwalt und Verteidiger der kurdischen Politiker Remzi Kartal und Zübeyir Aydar; Antoine Comte, französischer Rechtsanwalt und Anwalt der Nebenklage im Fall der Pariser Morde an den drei kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez; Hayko Bağdat und Erk Acarer, zwei im deutschen Exil lebende Journalisten aus der Türkei, die sich seit Jahren mit den MIT-Aktivitäten in Europa und im besonderen mit diesem Fall beschäftigen; sowie Remzi Kartal, Ko-Vorsitzender des Kongra Gel, und Zübeyir Aydar, Mitglied des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans). Beide waren als Anschlagsziel des Todeskommandos ausgespäht worden.
Staatsanwalt regte Einstellung des Verfahrens an
Der Fall ist brisant. Lange Zeit stand die Ermittlungsakte unter Geheimhaltung. Die belgische Staatsanwaltschaft hielt die Prozesseröffnung zunächst nicht für notwendig und hatte eine Einstellung des Verfahrens angeregt. Und dass, obwohl die mutmaßliche Täterschaft der Beschuldigten an dem Todeskommando und ihre Absicht, mitten in Europa einen Anschlag auf kurdische Politiker durchführen zu wollen, laut Rechtsanwalt Jan Fermon aufgrund „erdrückender Indizien“ nicht in Zweifel gezogen werden könnten. Im Vordergrund der Ermittlungen stehen verschiedene Namen. Ganz oben auf der Liste sind Zekeriya Çelikbilek, ein ehemaliger Soldat der türkischen Armee mit Wohnsitz in Paris, und Yakup Koç. Letzterer hielt sich in diversen europäischen Ländern auf. Es handelt sich um jene Personen, die im Juni 2017 beim Ausspähen der KNK-Zentrale in Brüssel von der Polizei observiert worden waren.
Kurde als Informant angeworben
In der schwarzen Mercedes-Limousine saß neben Zekeriya Çelikbilek und Yakup Koç, der sich als „Albay“ (Oberst) vorstellte und einen türkischen Polizeiausweis bei sich trug, auch Hacı Akkulak. Der kurdischstämmige Mann war von dem Todeskommando zur Informationsgewinnung für den türkischen Nachrichtendienst angeworben worden. Als er erkannte, dass das eigentliche Ziel darin bestand, politische Attentate an Kurden zu begehen, informierte er die kurdischen Stellen und die belgische Polizei. Ein weiterer Verdächtiger ist Necati Demiroğlulları aus Gent. Der türkische Geschäftsmann gilt als Logistikverantwortlicher des Attentatskommandos. Außerdem ist er der Schwiegersohn von Yakup Koç.
Angeklagte mit Verbindungen zum Nationalen Sicherheitsrat
Das Zentrum des Todeskommandos befindet sich offenbar in Frankreich. Die bisher gesammelten Informationen deuten darauf hin, dass dieses an Ankara gebundene Netzwerk aus Agenten und Auftragskillern von Paris aus operiert. Darüber sind auch die französischen Behörden im Bilde. Die durch belgische Justizbehörden von Frankreich erbetenen Auskünfte sind teilweise erteilt worden. Diverse Protokolle von abgehörten Telefonaten, Fotos und Dokumente der Verdächtigen legen sowohl ihre Beziehung untereinander als auch Verbindungen zum Palast dar. Auch Hinweise zu den Verbindungen der Angeklagten zu Erdogans Chefberater Seyit Sertçelik; zum pensionierten Brigadegeneral und Gründer des türkischen Söldnerkonzerns SADAT, Adnan Tanrıverdi, der 2016 in den Beraterstab von Erdogan berufen wurde und an Treffen des Nationalen Sicherheitsrats (MGK) teilnimmt; und zum früheren türkischen Botschafter in Paris, Ismail Hakkı Musa, liegen vor. So soll das Todeskommando etwa Anfang 2018 bei einer Reise Erdogans nach Paris für die Unterbringung von Tanrıverdi und anderen Mitgliedern von Erdogans Beraterstab verantwortlich gewesen sein.
Konferenz im Netz verfolgen
Die Pressekonferenz im Press Club Brussels Europe findet am 1. März ab 11:00 Uhr statt und kann auch online verfolgt werden. Interessierte können den Link und einen Zugangscode über das Kurdische Institut Brüssel erfragen, die Kontaktdaten lauten: www.kurdishinstitute.be | koerdisch.instituut@skynet.be