Die EU-Kommission hat Mittwoch vorgeschlagen, das Abkommen mit Vanuatu über die Befreiung von der Visumpflicht teilweise auszusetzen. Das Abkommen ermöglicht es Bürgern Vanuatus, für Aufenthalte von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen ohne Visum in die EU einzureisen. Die teilweise Aussetzung des Abkommens ist notwendig, um die Risiken zu mindern, die Vanuatus Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren („goldene Reisepässe“) für die Sicherheit der EU und ihrer Mitgliedstaaten bergen. Der heutige Vorschlag beruht auf einem intensiven Austausch mit den Behörden Vanuatus, bei dem auch vor einer möglichen Aussetzung gewarnt wurde. Die Regelungen ermöglichen es Drittstaatsangehörigen, gegen eine Mindestinvestition von 130.000 US-Dollar die vanuatuische Staatsangehörigkeit und damit einen visumfreien Zugang zur EU zu erhalten.
Basierend auf einer sorgfältigen Überwachung der Regelungen und der von Vanuatu übermittelten Informationen ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass die Staatsbürgerschaftsregelungen Vanuatus aufgrund folgender Aspekte schwerwiegende Mängel und Sicherheitslücken aufweisen:
- Verleihung der Staatsbürgerschaft an Antragsteller, die in Interpol-Datenbanken erfasst sind, was Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Sicherheitsüberprüfung gibt.
- Zu kurze durchschnittliche Bearbeitungszeit der Anträge, was keine gründliche Überprüfung der Antragsteller ermöglicht, sowie fehlender systematischer Informationsaustausch mit dem Herkunftsland des jeweiligen Antragstellers oder dem Land, in dem dieser zuvor seinen gewöhnlichen Wohnsitz hatte, bevor die Staatsbürgerschaft verliehen wird.
- Extrem niedrige Ablehnungsquote: Bis 2020 wurde nur ein Antrag abgelehnt.
- Zu den Herkunftsländern erfolgreicher Antragsteller zählen auch Länder, deren Staatsangehörige für die Einreise in die EU der Visumpflicht unterliegen; einige dieser Länder sind von anderen Staatsbürgerschaftsregelungen üblicherweise ausgeschlossen.
Somit ermöglichen die Staatsbürgerschaftsregelungen Vanuatus es Personen, die andernfalls für die Einreise in die EU ein Visum benötigen würden, das reguläre Schengen-Visumverfahren und die damit verbundene eingehende Bewertung der individuellen Migrations- und Sicherheitsrisiken zu umgehen.
Zudem werden die von Vanuatu seit 2015 praktizierten Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren ausdrücklich als Möglichkeit für eine visumfreie Einreise in die EU kommerziell beworben, obwohl es nicht Zweck des Abkommens über die Befreiung von der Visumpflicht ist, visumpflichtigen Reisenden durch den Erwerb der vanuatuischen Staatsangehörigkeit das Umgehen der Visumpflicht zu ermöglichen.
Die Kommission gelangte vor diesem Hintergrund zu dem Schluss, dass die von Vanuatu praktizierte Staatsbürgerschaftsregelung für Investoren erhöhte Risiken für die Sicherheit der EU und ihrer Mitgliedstaaten birgt, und schlägt daher eine teilweise und verhältnismäßige Aussetzung des Abkommens über die Befreiung von der Visumpflicht vor. Die Aussetzung würde für alle Inhaber gewöhnlicher Reisepässe gelten, die seit dem 25. Mai 2015 ausgestellt wurden, d. h. dem Zeitpunkt, ab dem Vanuatu im Gegenzug für Investitionen eine erhebliche Anzahl von Reisepässen ausstellte. Den Betreffenden wäre es dann nicht mehr gestattet, ohne Visum in die EU zu reisen (sie hätten allerdings weiterhin die Möglichkeit, für die Einreise in die EU ein Visum zu beantragen).
Nächste Schritte
Es ist nun Sache des Rates, diesen Vorschlag zu prüfen und über die teilweise Aussetzung des Abkommens über die Befreiung von der Visumpflicht zu entscheiden. Das Europäische Parlament ist entsprechend zu unterrichten. Beschließt der Rat, das Abkommen teilweise auszusetzen, sollte Vanuatu mindestens zwei Monate vor der Aussetzung notifiziert werden. Während der Dauer der teilweisen Aussetzung nimmt die Kommission einen verstärkten Dialog mit Vanuatu auf, um die Sicherheitsrisiken für die EU und ihre Mitgliedstaaten zu beseitigen oder erheblich zu mindern. Ergreift Vanuatu zu diesem Zweck ausreichende Maßnahmen, sollte die teilweise Aussetzung aufgehoben werden.
Hintergrund
Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren in Ländern mit visumfreiem Zugang zur EU können sich auf die Regelung für visumfreies Reisen auswirken, da sie Sicherheitsrisiken bergen. In ihrem Bericht über Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren vom Januar 2019 äußerte die Kommission Bedenken hinsichtlich solcher Regelungen, insbesondere in Bezug auf Sicherheit, Unterwanderung durch organisierte Kriminalität, Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung, Steuerhinterziehung und Korruption. In dem Bericht warnte die Kommission auch, dass die Regelungen dazu genutzt werden könnten, das reguläre Schengen-Visumverfahren und die damit verbundene eingehende Risikobewertung zu umgehen.
Ab 2015 begann Vanuatu – fast zeitgleich mit der Unterzeichnung des Abkommens über die Befreiung von der Visumpflicht zwischen der EU und Vanuatu und der vorläufigen Anwendung des Abkommens – in immer größerem Umfang Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren einzuführen und zahlreichen Antragstellern die Staatsbürgerschaft zu gewähren. Die Kommission hat die Regelungen sorgfältig überwacht und Informationen über deren Umsetzung eingeholt, insbesondere in Bezug auf die Voraussetzungen für die Antragstellung, die Sicherheitsüberprüfung von Antragstellern, den Austausch von Informationen und Statistiken über die Zahl der Anträge, die Staatsangehörigkeit der Antragsteller und die Ablehnungsquote.
Bei Treffen zwischen der EU und Vanuatu im April 2019 und April 2021 wies die EU erneut auf die möglichen Folgen der Staatsbürgerschaftsregelungen Vanuatus für das Abkommen über die Befreiung von der Visumpflicht hin. Bei beiden Gelegenheiten forderte die EU Vanuatu nachdrücklich auf, mögliche Risiken solcher Regelungen – Unterwanderung durch die organisierte Kriminalität, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption – unverzüglich zu beseitigen. Die Regelungen wurden jedoch nicht wesentlich geändert, und im April 2021 leitete die Regierung Vanuatus sogar weitere Schritte zur Einführung eines neuen Staatsbürgerschaftsprogramms in die Wege.
Alle EU-Abkommen über die Befreiung von der Visumpflicht können aus Gründen der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung ausgesetzt werden.
EU-Kommission / 12.01.2022
Foto: EU-Kommission