EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat sich Freitag in Berlin mit Bundesinnenministern Nancy Faeser über die gemeinsamen Herausforderungen im Bereich der Migrations-, Innen- und Sicherheitspolitik ausgetauscht. Dabei ging es auch um den Kampf gegen den Rechtsextremismus. „Ich schätze es sehr, dass die Ministerin den Kampf gegen Rechtsextremismus, gegen Hass und Gewalt im Internet so nachdrücklich betont hat. Wir haben einen Anstieg des Rechtsextremismus beobachtet, und es ist äußerst wichtig, dass wir hier eine entschlossene Antwort geben“, so Innenkommissarin Johansson. In Bezug auf den Umgang mit Diensteanbietern wie Telegram verwies die Kommissarin auf die Verhandlungen über das Gesetz über digitale Dienste (Digital Service Act, DSA) sowie die Vorschriften zur Bekämpfung von terroristischen Inhalten in der EU. Johansson kündigte zudem für März einen Gesetzesvorschlag zum Kampf gegen Kindesmissbrauch im Internet an. Am Nachmittag trifft Kommissarin Johansson mit Kanzleramtsminister Wolfang Schmidt und der Staatsministerin für Europa, Anna Lührmann, zu bilateralen Gesprächen zusammen.
Bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz bekräftigten Johansson und Faeser ihre Erwartungen an die französische Ratspräsidentschaft, Fortschritte bei den Verhandlungen über das EU-Migrations- und Asylpaket zu erreichen. Weitere Themen der heutigen Beratungen waren die Lage in Belarus und Afghanistan, die vorgeschlagene Reform der Schengen-Vorschriften sowie Sicherheitsfragen.
Hintergrund
Die EU-Kommission nimmt das Problem illegaler und schädlicher Inhalte in sozialen Medien sehr ernst. Alle Diensteanbieter in der EU müssen die entsprechenden Regeln und Vorschriften in der EU einhalten.
Bekämpfung von terroristischen Inhalten in der EU
Die EU verfügt über verbindliche Vorschriften, um die Verbreitung terroristischer Inhalte im Internet zu bekämpfen, die ab dem 7. Juni 2022 gelten. Damit müssen Plattformen terroristische Inhalte, die von den Behörden der Mitgliedstaaten gemeldet werden, innerhalb einer Stunde entfernen. Die Diensteanbieter müssen auch proaktiv gegen den Missbrauch ihrer Dienste für die Verbreitung terroristischer Inhalte im Internet vorgehen. Die Vorschriften gelten für öffentlich verbreitete Inhalte, jedoch nicht für private Nachrichten.
Nach den EU-Vorschriften zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Inhalte im Internet können die Mitgliedstaaten bei Verstößen Sanktionen gegen Hosting-Diensteanbieter verhängen. Diese Sanktionen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und insbesondere die Art, Schwere und Dauer des Verstoßes, die Tatsache, ob der Verstoß vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde, sowie den Grad der Zusammenarbeit des Hosting-Diensteanbieters mit den zuständigen Behörden berücksichtigen.
Im EU-Internetforum arbeiten in dem Regierungen, Europol sowie Technologie- und Social-Media-Unternehmen zusammen, um auf freiwilliger Basis gegen terroristische Inhalte im Internet vorzugehen.
Digital Service Act – die europäische Lösung
Im Dezember 2020 hat die EU-Kommission mit dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Service Act, DSA) neue Vorschriften für alle digitalen Dienste wie soziale Medien, Online-Marktplätze und andere Online-Plattformen vorgelegt. Im Mittelpunkt des Vorschlags stehen die europäischen Werte. Mit der neuen Verordnung sollen die Bürgerinnen und Bürger und ihre Grundrechte im Internet besser geschützt und insbesondere Hass und politische Radikalisierung eingedämmt werden. Der Digital Service Act muss vom Europäischen Parlament und von den Mitgliedstaaten im Rat der EU noch angenommen werden.
Für alle Dienste, die private Kommunikation zwischen Personen anbieten, müssen mit dem DSA die Diensteanbieter einen Rechtsvertreter benennen, auf Anordnungen der Mitgliedstaaten gegen illegale Inhalte reagieren, klare Nutzungsbedingungen haben und Entscheidungen über die Moderation von Inhalten transparent darlegen. Darüber hinaus müssen sie den Nutzern eine leicht zugängliche Möglichkeit bieten, illegale Inhalte zu melden, und ihnen Instrumente zur Verfügung stellen, um die Entscheidungen der Plattform anzufechten. Neben den Verpflichtungen, die der DSA vorschreiben wird, unterliegen diese Kommunikationsdienste auch den strengen EU-Datenschutzvorschriften.
Der DSA sieht bei Verstößen Sanktionen in Höhe von bis zu sechs Prozent des Gesamtumsatzes eines Diensteanbieters vor. Der Koordinator für digitale Dienste und die EU-Kommission können zudem von den Plattformen verlangen, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um sehr schwerwiegende Probleme zu beheben. Weigern sich unseriöse Plattformen, wichtigen Verpflichtungen nachzukommen, wäre es als letztes Mittel auch möglich, ein Gericht um eine vorübergehende Aussetzung ihres Dienstes zu ersuchen. Dies wäre eine „ultima ratio“ und sollte nicht auf Kosten der rechtmäßigen Nutzer desselben Dienstes geschehen. Der DSA sieht auch angemessene Schutzmaßnahmen und gerichtliche Interventionen für solche Maßnahmen vor.
Hetze und Hassreden
Die Bekämpfung von Hetze und Hasskriminalität ist für die Kommission eine wichtige Priorität, da alle Formen und Äußerungen von Hass und Intoleranz mit den Werten, auf denen die Europäische Union beruht, unvereinbar sind, wie in Artikel 2 EUV verankert.
Das EU-Recht verpflichtet die Mitgliedstaaten bereits, die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt und Hass aus Gründen der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung, nationalen oder ethnischen Herkunft unter Strafe zu stellen.
Hetze und Hassreden sind derzeit auf EU-Ebene nicht strafbar. Daher hat die EU- Kommission im Dezember 2021 vorgeschlagen, die bestehende Liste der EU-Straftatbestände, die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) enthalten sind, auszuweiten. Im Falle einer Annahme durch die beiden Gesetzgeber würde dies die Rechtsgrundlage für europäische Mindestvorschriften für die Definition und die Ahndung von Hassreden und Hassverbrechen bilden und damit den Weg für einen stärkeren gemeinsamen Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Hassreden und Hassverbrechen in der gesamten EU ebnen.
EU-Kommission / 14.01.2022
Foto: EU-Kommission