„Close-up“ – der Name der Serie des Mercedes-Benz Museums ist Programm. Jede Folge erzählt Überraschendes, Spannendes, Hintergründiges. Dazu wirft sie den Spot auf Details eines Fahrzeugs, Ausstellungsexponats oder eines Elements von Architektur und Gestaltung. Diesmal im Blick: der Unimog U 500 als Winterdienstfahrzeug aus dem Jahr 2004.
Mercedes-Benz U 500 Winterdienstfahrzeug, 2004
Echtes Universaltalent: Schneefräse an der Front, schwere Schneeketten an allen vier Rädern und eine Streueinrichtung am Heck: Der Unimog U 500 der Baureihe 405 im Mercedes-Benz Museum wäre auf harte Winter gut vorbereitet – das zeigt er dem Betrachter von allen Seiten. Ebenso könnte der Geräteträger aus dem Jahr 2004 mit Portalachsen und Allradantrieb aber auch auf dem Acker arbeiten, Straßenbahnen abschleppen oder Mäharbeiten ausführen. Denn so spektakulär seine Einzelleistungen auch sind, noch mehr wird das Universal-Motor-Gerät (dafür steht die Abkürzung Unimog) für seine Wandlungsfähigkeit bewundert. Möglich wird diese durch die Kompatibilität mit einem großen Angebot an Anbaugeräten, die an Front und Heck sowie in der Mitte des Fahrzeugs montiert und angetrieben werden können. Wer das Exponat im Museum genau anschaut, sieht die vielen Anschlüsse für das Hydrauliksystem. Zu den Anbaugeräten gehören auch verschiedene Lösungen, um Straßen selbst bei heftigen Wintereinbrüchen mit starkem Schneefall befahrbar zu halten.
Traditionsreicher Winterkönig: Der Winterdienst unter widrigen Bedingungen steckt dem Unimog quasi in den Genen. Der seit 1949 gebaute Alleskönner wird zwar ursprünglich für die Landwirtschaft entwickelt. Wegen seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten findet er aber schon ab den 1950er-Jahren auch im Winterdienst Verwendung – mit Schneepflug oder Schneeschleuder als Anbaugerät wird der Unimog zum Winterkönig. Beide Räumtechniken spielen bis heute eine wichtige Rolle im Winterdienst. Dazu kommen rotierende Walzenbürsten für geringe Schneemengen und verschiedene Streumethoden für Auftausalze oder abstumpfende Materialien.
Geschoben, nicht geschleudert: Eine Schneefräse und -schleuder – wie die an dem im Museum ausgestellten Unimog – ist eine aufwendigere Technik als der Schneepflug. Das kann jeder Hausbesitzer nachvollziehen, der im Winter den Gehsteig räumen muss: zentimeterhoher Pulverschnee lässt sich leicht mit dem Schieber zur Seite drücken. Beim Aufnehmen und Wegschaufeln größerer Schneehöhen sind hingegen ordentlich Kraft und mehrere Arbeitsschritte notwendig. Hohe Leistung kann der Betrachter auch am Exponat erahnen, wenn er die robuste Konstruktion der Fräse und die vielen Hydraulikschläuche zum Antrieb verschiedener Aggregate sieht.
Weit weg mit dem Schnee: Hoch ragt der Kamin aus blau lackiertem Blech über die Schneefräse im Museum empor, die Spitze des Kanals ist zu einem Auswurf geformt. Klare Botschaft: Der Schnee wird nicht nur aufgenommen, sondern auch im hohen Bogen an die Seite geworfen. Das ist unverzichtbar bei großen Schneehöhen, die auch in Deutschland in Mittel- und Hochgebirgsregionen vorkommen. Denn das erhebliche Volumen des gefrorenen Niederschlags lässt sich hier nicht einfach an die Seite drücken. Schneefräsen werfen ihn daher bis zu 35 Meter weit abseits ins Gelände.
Kraftvoll durch den Winter: Eine moderne Anbauschneefräse wie die im Mercedes-Benz Museum wird über eine Zapfwelle vom Fahrzeugmotor angetrieben und zusätzlich über mehrere Hydraulikleitungen angesteuert. Die schwarzen Schläuche sind am 205 kW (279 PS) starken Exponat im Museum mit seinem 6,4-Liter-Sechszylindermotor gut zu erkennen. Die ersten Unimogs mit leistungsstarken Schneefräsen haben ab den 1950er-Jahren für gewöhnlich noch einen zweiten Motor zusätzlich zum Fahrzeugantrieb. Dieser stammt meist ebenfalls von Mercedes-Benz, befindet sich im Fahrzeugheck und treibt von dort über eine Welle die Fräse an der Front an.
Schneiden, Fräsen, Werfen: Rotationsschneefräsen räumen den Schnee in mehreren Arbeitsschritten. Wer sich direkt vor den Unimog im Raum Collection 3: Galerie der Helfer stellt, kann die entsprechenden Bauteile erkennen: An den Seiten der Frästrommel sitzen zwei runde Schneemesser, die den Arbeitsbereich mit einem sauberen Schnitt begrenzen. Daran schließen sich an der Innenseite zwei spiralförmige Fräswendeln mit Schneiden in Sägezahnform an. Diese zerkleinern auch große Schneemengen und beißen sich dabei selbst durch verhärtete oder vereiste Lagen. Die schneckenförmigen Fräswendeln transportieren das Räumgut nach dem Prinzip der archimedischen Schraube zur Mitte des Anbaugeräts. Hier übernimmt das hinter der Frästrommel sitzende Schleuderrad in seinem zylindrischen Gehäuse. Es beschleunigt den zerkleinerten Schnee und wirft ihn nach oben durch den Kamin zur Seite aus. Dieser lässt sich hydraulisch um bis zu 275 Grad drehen und seine Spitze kann – ebenfalls hydraulisch – unterschiedlich steil gestellt werden. So bestimmt der Fahrzeugführer ganz exakt, wohin der Unimog den geräumten Schnee wirft.
Pflug und Schild als Standard: Nicht in allen Regionen sind Schneefräsen notwendig. Kommunen und Straßenbehörden in gemäßigten Breiten wie Deutschland nutzen zumeist ein- oder mehrscharige Schneepflüge oder Schneeräumschilde als Standardausrüstung ihrer Winterdienstfahrzeuge. Oft wird die Fahrbahn zugleich mit Auftausalz gegen Glätte gestreut. Beide Systeme lassen sich optimal am Unimog montieren.
Kampf der Glätte: Am Heck des Unimog im Museum ist eine solche Streuanlage für Auftausalz montiert. Das Salzen gehört zu den wichtigen Methoden des Winterdienstes, es beseitigt die durch Eis und Schnee entstandene Glätte auf der Fahrbahn oder beugt ihr sogar vor. Auftausalze werden in Deutschland seit den 1950er-Jahren im Winterdienst verwendet. Dabei handelt es sich entweder um handelsübliches Steinsalz (Natriumchlorid) oder um Calcium-, Magnesium- und Kaliumchlorid. Die Salze verbinden sich mit dem gefrorenen Wasser und senken dessen Schmelzpunkt. So bleibt die Fahrbahn auch bei Temperaturen unter null Grad Celsius griffig. Wie viel der unterschiedlichen Auftaustoffe jeweils nötig ist, wissen moderne Winterdienstfahrzeuge ganz genau. Dafür messen sie Oberflächentemperaturen berührungslos (Thermografie), und teilweise fließen auch Informationen zu Straßen- und Geländeverhältnissen aus Datenbanken in die Steuerung mit ein (Telematik). Zur Bedienung der Winterdiensttechnik gibt es im Cockpit des Unimog ein eigenes Steuergerät mit Bildschirm.
Die Mischung machtʼs: Heute verwenden Straßendienste nur noch selten ausschließlich trockenes Salzgranulat. Stattdessen können Streusysteme sogenanntes Feuchtsalz ausbringen. Das ist eine Mischung aus Salzkristallen und einer flüssigen Solelösung. Beide Bestandteile mischt das Aggregat nach Bedarf direkt im Fahrzeug, und der Streuteller am Heck bringt das Feuchtsalz exakt dosiert aus. Die Vorteile: Der Mix wirkt schneller als trockenes Granulat, sodass weniger Salz notwendig ist. Zudem haftet das Feuchtsalz besser auf der Fahrbahn, was die chemische Belastung der Vegetation neben der Straße verringert. Je nach Mischungsverhältnis zwischen Salz und Sole wird im Winter zum Beispiel FS 30, FS 50 oder FS 70 gestreut. Die Zahl steht dabei für den Anteil der Sole an der Mischung. Wird reine Sole genutzt, sprechen die Winterdienstfachleute von FS 100. Diese wird aber nicht mit dem klassischen Streuteller ausgebracht, sondern mit Düsen gesprüht. Das passende Trägerfahrzeug für diese Anwendung? Natürlich ein Unimog.
Mercedes-Benz Museum GmbH / 13.01.2022
Foto: Mercedes-Benz Museum GmbH