Gemeinsam mit mehr als 80 gemeinnützigen Organisationen und unabhängigen Fachleuten drängt Reporter ohne Grenzen (RSF) auf die Einführung von EU-Sanktionen gegen die Pegasus-Herstellerfirma NSO Group. In einem heute veröffentlichten Brief an den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sowie die Außenministerinnen und -minister der EU-Mitgliedstaaten fasst das Bündnis die immer zahlreicheren Vorwürfe gegen das Unternehmen zusammen und fordert Maßnahmen im Rahmen der EU-Sanktionsregelung im Bereich der Menschenrechte.
Die EU müsse angemessene Schritte ergreifen, um die Nutzung und den Handel von NSO-Technologie zu verbieten, bis ein wirksamer Schutz von Menschenrechten gewährleistet ist. Mehr als 220 Journalistinnen und Journalisten wurden seit den ersten Enthüllungen des Pegasus-Projekts im Juli als anvisierte oder bestätigte Ziele staatlicher Spähangriffe mittels der Spyware identifiziert. Die deutsche Bundesregierung hielt bisher am Einsatz von Pegasus, unter anderem durch den Bundesnachrichtendienst, fest. Das US-Handelsministerium ergriff dagegen im November konkrete Schritte und setzte die NSO Group und ein weiteres israelisches Überwachungstechnologie-Unternehmen auf eine Sanktionsliste.
„Die Beweise häufen sich, dass die NSO Group Dutzende autoritäre Regierungen befähigt hat, Medienschaffende und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger zu überwachen und zu verfolgen. Eine glaubwürdige EU-Menschenrechtspolitik setzt voraus, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Maßnahmen gegen ein solches Unternehmen ergreifen, statt nationale Sicherheitsinteressen zu priorisieren“, sagte Lisa Dittmer, Referentin für Internetfreiheit bei Reporter ohne Grenzen. „Mit der diesjährigen Reform ihrer Exportkontrollen wollte die EU neue Standards für einen wertebasierten Handel mit digitaler Überwachungstechnologie setzen. Die Vorwürfe des Missbrauchs von Pegasus durch die ungarische Regierung, nationale Verhandlungen wie die Frankreichs über Vereinbarungen zum Schutz der eigenen Bevölkerung und Deutschlands Festhalten am Einsatz von Pegasus lassen davon wenig erkennen.“
Noch immer arbeiten Technikexpertinnen und -experten des kanadischen Citizen Lab und von Amnesty International daran, die Geräte potenzieller Opfer zu analysieren. So bestätigte Citizen Lab zuletzt, dass sechs palästinensische Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger mittels Pegasus gehackt wurden. RSF hat im Juli gemeinsam mit zahlreichen betroffenen Journalistinnen und Journalisten aus sieben Ländern in Paris Klage eingereicht.
EU-Kommissar Didier Reynders verurteilte den staatlichen Missbrauch digitaler Überwachungstechnologie im Rahmen einer Diskussion im EU-Parlament im September, ein deutlicher Schritt wie die Entscheidung der US-Regierung zum „Blacklisting“ der NSO Group blieb bisher aber aus. Die deutsche Bundesregierung wollte den Schritt in der Regierungspressekonferenz Mitte November nicht kommentieren.
Reporter ohne Grenzen (RSF) / 03.12.2021
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