Die Türkei hat einen Großteil des Vermögens von Ragip Zarakolu beschlagnahmt. Dem im schwedischen Exil lebenden Autoren und Verleger wird vorgeworfen, mit einer Rede an der DBP-Bildungsakademie die PKK unterstützt zu haben.
Im Zusammenhang mit dem kafkaesken KCK-Hauptverfahren hat die Türkei einen erheblichen Teil des Vermögens von Verleger und Buchautor Ragip Zarakolu beschlagnahmt. Damit will das autokratisch regierte Land die Rückkehr des Intellektuellen erzwingen, der seit 2013 im schwedischen Exil lebt. Auch die Rentenleistungen des 71-Jährigen wurden eingezogen. Das habe die 3. Stafkammer des Istanbuler Schwurgerichts am Dienstag entschieden, berichtet die Nachrichtenagentur Mezopotamya Ajansı (MA).
Ragip Zarakolu zählt zu den Gründern des türkischen Menschenrechtsvereins IHD (İnsan Hakları Derneği). In seinem Verlag Belge (türkisch: Dokument) brachte er seit 1977 Bücher heraus, die an türkischen Tabus rütteln, vor allem Werke über Kurd*innen und Armenier*innen. Ende Oktober 2011 wurde Zarakolu im Rahmen von Ermittlungen gegen den angeblichen „Türkei-Rat der KCK“ festgenommen und später verhaftet. Aufgrund einer Rede, die er an der Bildungsakademie der Partei der demokratischen Regionen DBP (damals noch Partei des Friedens und der Demokratie, BDP) für die Verabschiedung der Absolvent*innen gehalten hatte, wurde Zarakolu der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ – gemeint ist die PKK – bezichtigt. Nach fast sieben Monaten in Untersuchungshaft wurde er vorzeitig entlassen. 2013 verließ Zarakolu das Land und lebt seitdem im schwedischen Asyl. Das Verfahren gegen ihn läuft unterdessen weiter.
Die „KCK-Operation“ genannte Verhaftungswelle begann nur einen Tag, nachdem die KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) am 13. April 2009 ihre Waffenruhe bis zum 1. Juli verlängert und in ihrer Deklaration davon gesprochen hatte, dass „zum ersten Mal die Möglichkeit besteht, die kurdische Frage in einem Umfeld der Waffenruhe zu lösen“. Die Operation, die mit der Verhaftung von Politiker*innenn und Vertreter*innen von NGOs begann, ergriff wellenförmig alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und betraf auch Bürgermeister*innen, Gewerkschafter*innen, Journalist*innen (KCK-Presseverfahren), Menschenrechtler*innen und Rechtsanwält*innen. Am Ende der Operation waren etwa 10.000 Menschen unter dem Verdacht der Mitgliedschaft in der KCK verhaftet worden.
Im Rahmen des sogenannten KCK-Hauptverfahrens befanden sich insgesamt 83 kurdische Politikerinnen und Politiker über 18 Monate in Untersuchungshaft, bevor sie das erste Mal vor Gericht gestellt wurden. In dieser Zeit konnten die Anwälte 15 Monate lang aufgrund eines Geheimhaltungsbeschlusses zu den Ermittlungsakten keinen Widerspruch gegen die Haft einlegen. 99 Angeklagte wurden im März 2017 zu insgesamt 1109 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. In Dutzenden Fällen wurde die Haft von einer nächsthöheren Instanz bereits bestätigt.