Die Europäische Kommission will die Renovierung von Wohnungen, Schulen, Krankenhäusern, Büros und anderen Gebäuden in ganz Europa erleichtern, so Treibhausgasemissionen und Energierechnungen senken und die Lebensqualität von Millionen von Menschen verbessern. Dafür hat sie Mittwoch vorgeschlagen, die Vorschriften für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden an den europäischen Grünen Deal anzugleichen und den Gebäudebestand der EU bis 2050 zu dekarbonisieren. Die Kommission übersetzt so die im Rahmen des Grünen Deals geplante „Renovierungswelle“ in konkrete Gesetzesvorschläge.
Der für den europäischen Green Deal zuständige Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, erklärte, dass der Vorschlag darauf abziele, die Rate der energetischen Renovierung in der gesamten EU zu erhöhen, indem er beispielsweise finanzielle Unterstützung für die notwendigen Vorabinvestitionen bietet. Durch die Konzentration auf die Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz werde den kosteneffizientesten Renovierungen Vorrang eingeräumt und ein Beitrag zur Bekämpfung der Energiearmut geleistet.
Energiekommissarin Kadri Simson verwies darauf, dass Gebäude der größte Energieverbraucher in Europa seien. „Das liegt daran, dass die meisten Gebäude in der EU nicht energieeffizient sind und immer noch überwiegend mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Hier müssen wir dringend etwas tun, denn über 85 Prozent der heutigen Gebäude werden im Jahr 2050, wenn Europa klimaneutral sein muss, noch stehen.“
Die Kommission schlägt vor, dass ab dem Jahr 2030 alle neuen Gebäude emissionsfrei sein müssen. Um das Potenzial schnellerer Maßnahmen im öffentlichen Sektor auszuschöpfen, müssen alle neuen öffentlichen Gebäude bereits ab 2027 emissionsfrei sein. Konkret heißt das beispielsweise, dass die Gebäude wenig Energie verbrauchen sollten, so weit wie möglich mit erneuerbaren Energien betrieben werden, und ihr Energieausweis auf Grundlage ihrer Emissionen über den gesamten Lebenszyklus basieren müsse.
Für Renovierungen werden auf EU-Ebene neue Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz vorgeschlagen, die vorsehen, dass die 15 Prozent des Gebäudebestands mit den schlechtesten Werten in jedem Mitgliedstaat bis 2027 bei Nichtwohngebäuden von der in den Energieausweisen angegebenen Klasse G auf mindestens Klasse F verbessert werden müssen und bis 2030 bei Wohngebäuden.
Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz liefern öffentlich zugängliche Informationen über den Energieverbrauch und sind eine wichtige Orientierungshilfe bei Investitions-, Kauf- und Mietentscheidungen. Mit den heutigen Vorschlägen werden die Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz klarer. Die Pflicht zur Vorlage eines Energieausweises wird auf Gebäude ausgedehnt, die einer größeren Renovierung unterzogen werden, auf Gebäude, für die ein Mietvertrag verlängert wird, und auf alle öffentlichen Gebäude. Für Gebäude oder Gebäudeeinheiten, die zum Verkauf oder zur Vermietung angeboten werden, muss ebenfalls ein Ausweis vorliegen, und die Energieeffizienzklasse muss in allen Anzeigen angegeben werden. Bis 2025 müssen alle Ausweise auf einer harmonisierten Skala von A bis G beruhen.
Die nationalen Pläne zur Gebäudesanierung werden vollständig in die nationalen Energie- und Klimapläne integriert. Dies wird die Vergleichbarkeit gewährleisten und eine direkte Verbindung zur Mobilisierung von Finanzmitteln und zur Auslösung der erforderlichen Reformen und Investitionen herstellen. Diese Pläne müssen Fahrpläne für den schrittweisen Ausstieg aus der Verwendung fossiler Brennstoffe zum Heizen und Kühlen bis spätestens 2040 sowie einen Plan für die Umstellung des nationalen Gebäudebestands auf emissionsfreie Gebäude bis 2050 enthalten.
Mit dem Vorschlag wird zudem ein „Renovierungspass“ für Gebäude eingeführt, der Eigentümern ein Instrument an die Hand gibt, das ihnen die Planung und schrittweise Renovierung hin zu einem Null-Emissions-Niveau erleichtert. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten außerdem auf, Renovierungserwägungen in die Vorschriften für öffentliche und private Finanzierungen aufzunehmen und geeignete Instrumente, insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen, zu schaffen. Ab 2027 sollen keine finanziellen Anreize mehr für den Einbau von Heizkesseln für fossile Brennstoffe gewährt werden, und die Mitgliedstaaten erhalten die rechtliche Möglichkeit, die Verwendung fossiler Brennstoffe in Gebäuden zu verbieten.
Die neuen Vorschriften fördern den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und intelligenten Technologien, um den effizienten Betrieb von Gebäuden sicherzustellen, und fordern die Einrichtung digitaler Gebäudedatenbanken. Im Bereich der Mobilität unterstützt der Vorschlag den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Wohn- und Geschäftsgebäuden und sieht mehr Fahrradstellplätze vor.
Hintergrund
Die Überarbeitung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden ist Teil der „Fit for 55″-Vorschläge der Kommission zur Umsetzung des Europäischen Grünen Deals und des Europäischen Klimagesetzes. Sie ergänzt die anderen Komponenten des im Juli 2021 verabschiedeten Pakets, das die Vision eines emissionsfreien Gebäudebestands bis 2050 vorgibt.
Auf Gebäude entfallen 40 Prozent des Energieverbrauchs in der EU und 36 Prozent der energiebedingten Treibhausgasemissionen; Heizung, Kühlung und Warmwasserbereitung sind für 80 Prozent des Energieverbrauchs der Haushalte verantwortlich.
Die Kommission ist entschlossen, die Energiearmut zu bekämpfen. Mehr als 30 Millionen Gebäude in der EU verbrauchen übermäßig viel Energie (mindestens 2,5 Mal mehr als durchschnittliche Gebäude), was die Energierechnungen der Haushalte in die Höhe treibt. Die Vorteile niedrigerer Energierechnungen sind bei den derzeitigen hohen Energiepreisen noch offensichtlicher.
Durch die Erhöhung der Renovierungsrate werden die Maßnahmen der überarbeiteten Richtlinie lokale Arbeitsplätze schaffen und die Verbreitung von Innovationen und KMU fördern. Die erhöhte Renovierungsintensität muss durch angemessene Kapazitäten und qualifizierte Arbeitskräfte unterstützt werden. Neben dem heutigen Paket hat die Kommission ein Arbeitspapier veröffentlicht, in dem sie mögliche Szenarien für den Übergang zu einem widerstandsfähigeren, umweltfreundlicheren und digitaleren Bauökosystem skizziert. Es ist der Beginn des gemeinsamen Gestaltungsprozesses mit den Mitgliedstaaten, Interessengruppen, der Industrie und Nichtregierungsorganisationen, der heute mit einer öffentlichen Konsultation startet, die bis zum 28. Februar 2022 läuft.
EU-Kommission Vertretung Deutschland / 16.12.2021
Foto: EU-Kommission Vertretung Deutschland