Das Europäische Parlament forderte am Donnerstag eine gründliche Untersuchung der Missstände in den EU-Mitgliedstaaten, die die Pandora-Papiere enthüllt hatten.
Eine Entschließung zu diesem Thema wurde mit 578 zu 28 Stimmen bei 79 Enthaltungen angenommen. Die Abgeordneten machten deutlich, was die EU aus ihrer Sicht dringend tun muss, um Schlupflöcher zu schließen, die im Moment noch Steuervermeidung, Geldwäsche und Steuerhinterziehung im großen Stil ermöglichen. Sie forderten auch rechtliche Schritte der Kommission gegen EU-Staaten, die die geltenden Gesetze nicht ordnungsgemäß umsetzen. Scharfe Kritik übten die Abgeordneten an den derzeitigen und ehemaligen Ministerpräsidenten und Ministern von EU-Mitgliedstaaten, deren Aktivitäten im Rahmen der Pandora-Papiere aufgedeckt worden waren.
Anfang Oktober, zwei Tage nach der Veröffentlichung der ersten Ergebnisse der Pandora-Papiere, hatten die Abgeordneten bei einer Plenardebatte bereits ihre Empörung geäußert. Die nun angenommene Entschließung ist eine Folge davon.
Nichts unversucht lassen
In der Entschließung werden die Behörden der Mitgliedstaaten aufgefordert, gründliche Untersuchungen aller in den Pandora-Papieren enthüllten Verfehlungen einzuleiten, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Dazu zählen auch Prüfungen aller genannten Personen. Die Kommission solle die Enthüllungen daraufhin überprüfen, ob weitere Rechtsvorschriften vorgeschlagen werden sollten und ob rechtliche Schritte gegen einige Mitgliedstaaten gerechtfertigt sind. Außerdem solle die Europäische Staatsanwaltschaft prüfen, ob es aufgrund der Enthüllungen Sonderermittlungen geben sollte.
Heftige Kritik äußerten die Abgeordneten insbesondere an dem tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš, dem Präsidenten Zyperns, Nicos Anastasiades, dem niederländischen Finanzminister Wopke Hoekstra, den ehemaligen britischen Premier Tony Blair und dem ehemaligen maltesischen Minister und Mitglied der Kommission, John Dalli. Sie alle werden in den Pandora-Papieren namentlich genannt. Ilham Alijew, der Präsident von Aserbaidschan, und Milo Đukanović, der Präsident von Montenegro, werden in der Entschließung ebenfalls direkt kritisiert.
Mehr Informationen über wirtschaftliche Eigentümer und Umsetzung der vereinbarten Regeln
Das Parlament fordert von den Mitgliedstaaten und der Kommission, mehr dafür zu tun, dass die wirtschaftlichen Eigentümer, d. h. diejenigen, die letztlich von einer Briefkastenfirma profitieren, ermittelt werden. Auch beim Austausch von Informationen über diese Personen gebe es noch Verbesserungsbedarf. Viele Mitgliedstaaten hinkten bei der Umsetzung der geltenden Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Steuervermeidung hinterher. Die Kommission solle diese Nachzügler im Auge behalten. Sie solle außerdem Vorschriften für Staatsbürgerschaftserwerb und Wohnsitzregelungen vorlegen und bewerten, wie wirksam sich politisch exponierte Personen ermitteln und verstärkte Sorgfaltspflichten anwenden lassen.
Strengere Neuregelungen seien sinnlos, wenn die geltenden Vorschriften nicht funktionierten und die Behörden der EU-Mitgliedstaaten nicht enger zusammenarbeiteten. Es müsse mehr Ressourcen für diesen Politikbereich geben, und es sei mehr guter Wille nötig. Die Kommission solle prüfen, ob die zentralen Meldestellen der Mitgliedstaaten, bei denen Geldwäsche-Verdachtsanzeigen eingereicht werden können, genug Geld und Personal zur Verfügung haben
Die Schwarze Liste der EU für Steueroasen – ein „stumpfes Schwert“
In der Entschließung wird die aktuelle Schwarze Liste der EU für Steueroasen als „stumpfes Schwert“ bezeichnet, mit dem man einigen der Länder, die für die schlimmsten Verstöße verantwortlich seien, nicht beikommen könne. Als Beispiel werden die Britischen Jungferninseln genannt, die nicht auf der Schwarzen Liste der EU auftauchen, obwohl auf ihnen zwei Drittel der in den Pandora-Papieren aufgeführten Briefkastenfirmen angesiedelt sind. Es gebe zahlreiche Möglichkeiten, den Prozess der Aufnahme von Ländern in die Schwarze Liste zu verbessern. Es könnten weitere Praktiken als typische Merkmale von Steueroasen gelten, und auch der Entscheidungsprozess im Hinblick darauf, welche Länder auf die Liste kommen, könne reformiert werden. Bereits Anfang Oktober hatten die Abgeordneten eine noch ausführlichere Entschließung zu diesem Thema angenommen.
Europäisches Parlament / 21.10.2021