Die Europäische Kommission hat Mittwoch ihre zweite strategische Vorausschau angenommen. Unter dem Titel „Die Handlungsfähigkeit und Handlungsfreiheit der EU“ zeigt sie eine zukunftsorientierte und multidisziplinäre Perspektive zur strategischen Autonomie der EU in einer zunehmend multipolaren und umstrittenen Weltordnung auf. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte dazu: „Die europäischen Bürgerinnen und Bürger erleben fast täglich, dass globale Herausforderungen wie Klimawandel und digitaler Wandel direkte Auswirkungen auf ihr Privatleben haben. Wir alle spüren, dass unsere Demokratie und unsere europäischen Werte sowohl extern als auch intern in Frage gestellt werden oder dass Europa seine Außenpolitik aufgrund einer sich verändernden Weltordnung anpassen muss. Frühzeitige und bessere Informationen über solche Trends helfen uns dabei, derart wichtige Themen rechtzeitig anzugehen und unsere Union in eine positive Richtung zu lenken.“
Die Kommission hat vier globale Haupttrends herausgefiltert, die Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit und Handlungsfreiheit der EU haben: Klimawandel und andere ökologische Herausforderungen; digitale Hyperkonnektivität und technologischer Wandel; Druck auf Demokratie und Werte und weltpolitische Verschiebungen und Demografie. Ferner wurden zehn Hauptaktionsbereiche festgelegt, in denen die EU Chancen für ihre weltweite Führungsrolle und ihre offene strategische Autonomie nutzen kann. Damit wird die strategische Vorausschau weiterhin in die Arbeitsprogramme und Prioritätensetzung der Kommission einfließen.
Der für interinstitutionelle Beziehungen und Vorausschau zuständige Vizepräsident Maroš Šefčovič fügte hinzu: „Auch wenn wir nicht wissen, was die Zukunft bringt, wird ein besseres Verständnis der wichtigsten Megatrends, Unsicherheiten und Chancen die Handlungsfähigkeit und Handlungsfreiheit der EU langfristig verbessern. In dieser strategischen Vorausschau werden daher vier Megatrends mit erheblichen Auswirkungen auf die EU untersucht und zehn Aktionsbereiche festgelegt, um unsere offene strategische Autonomie zu stärken und unsere globale Führungsrolle bis 2050 zu festigen. Die Pandemie hat ehrgeizige strategische Entscheidungen nur noch notwendiger gemacht, und dieser Bericht wird uns dabei helfen, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.“
Zehn strategische Aktionsbereiche
- Gewährleistung nachhaltiger und krisenfester Gesundheits- und Lebensmittelsysteme
- Sicherung von CO2-freier und erschwinglicher Energie
- Kapazitätsausbau in den Bereichen Datenverwaltung, künstliche Intelligenz und Spitzentechnologien
- Sicherung und Diversifizierung der Versorgung mit kritischen Rohstoffen
- Gewährleistung einer globalen Vorreiterrolle bei der Normensetzung
- Aufbau krisenfester und zukunftssicherer Wirtschafts- und Finanzsysteme
- Entwicklung und Erhaltung von Kompetenzen und Talenten, die unseren Zielvorstellungen entsprechen
- Ausbau der Sicherheits- und Verteidigungskapazitäten und Zugang zum Weltraum
- Zusammenarbeit mit globalen Partnern zur Förderung von Frieden, Sicherheit und Wohlstand für alle und
- krisentauglichere Institutionen.
Die nächsten Schritte
Die Kommission wird ihre strategische Vorausschau für diesen Politikzyklus weiter umsetzen und in die Initiativen für das Arbeitsprogramm für das kommende Jahr einfließen lassen. Am 18. und 19. November wird sie Gastgeber der jährlichen ESPAS – Konferenz (ESPAS: Europäisches System für strategische und politische Analysen) sein, um das Thema der strategischen Vorausschau für das nächste Jahr – die Verbindung von ökologischem und den digitalem Wandel – zu erörtern. Es soll darum gehen, wie sich diese beiden Trends gegenseitig durch den Einsatz neuer Technologien verstärken können. Darüber hinaus sollen durch das EU-weite Zukunftsforschungsnetz der „Zukunftsminister/innen“ in allen Mitgliedstaaten weiterhin Kapazitäten für Zukunftsforschung bei den Behörden der EU-Mitgliedstaaten aufgebaut werden.
Im Laufe dieses Monats wird die Kommission auch eine öffentliche Konsultation zu ihren Resilienz-Übersichten („Resilienz-Dashboards“) abschließen, einem neuen Instrument zur stärker ganzheitlichen Bewertung der Resilienz in der EU und ihren Mitgliedstaaten. Dies wird dazu beitragen, das soziale und wirtschaftliche Wohlergehen jenseits des (reinen) BIP zu messen. Eine öffentliche Konsultation (link sends e-mail) zu den Entwürfen der Resilienz-Übersichten der Kommission läuft bis zum 30. September.
Hintergrund
Seit 2020 wird auf der Grundlage vollständiger Prognosezyklen eine jährliche strategische Vorausschau erstellt, die als Grundlage für die Prioritäten der jährlichen Rede zur Lage der Union, des Arbeitsprogramms der Kommission und der mehrjährigen Programmplanung dient.
Die diesjährige Vorausschau baut auf der strategischen Vorausschau 2020 auf, in der die Resilienz als neue Richtschnur für die Politikgestaltung der EU eingeführt wurde. Die in der strategischen Vorausschau 2021 dargelegten Megatrends und politischen Maßnahmen wurden im Rahmen einer von den Kommissionsdienststellen durchgeführten sektorübergreifenden Vorausschau unter Heranziehung von Experten ermittelt; dabei wurden die Mitgliedstaaten und andere EU-Organe im Rahmen des Europäischen Systems für strategische und politische Analysen (ESPAS) umfassend konsultiert. Die Ergebnisse der Vorausschau sind in folgendem Bericht der Gemeinsamen Forschungsstelle enthalten: „Science for Policy: Shaping and securing the EU’s Strategic Autonomy by 2040 and beyond“.
Um den Aufbau von Zukunftsforschungskapazitäten in der gesamten EU zu unterstützen, hat die Kommission das EU-weite Zukunftsforschungsnetz eingerichtet, dem 27 Zukunftsminister/innen aus allen Mitgliedstaaten angehören. Es dient dazu, bewährte Verfahren auszutauschen und die strategische Vorausschau der Kommission zu unterstützen, indem zentrale Fragen erörtert werden, die für die Zukunft Europas von Bedeutung sind.
EU-Kommission / 08.09.2021