ZEYNEP KURAY
In der Mittelmeerregion in der Türkei brennen seit 13 Tagen die Wälder. Tausende Hektar sind zu Asche verbrannt, unzählige Lebewesen sind dabei verendet. Um die Brände zu bekämpfen, sind zahlreiche Freiwillige in die betroffenen Regionen gereist. Eine davon ist die Ökologin Beyza Üstün, die als HDP-Politikerin im sogenannten „Kobanê-Prozess“ angeklagt und erst Ende Juni aus der Untersuchungshaft entlassen worden ist. Sie ist seit Tagen zwischen Datça und Marmaris unterwegs und hat sich gegenüber ANF zur aktuellen Situation geäußert.
Üstün sagt, dass die Brände in Köyceğiz, Yatağan und Milas in der Umgebung von Marmaris und Muğla in der Ägäis weiter andauern. Mehrere Feuer bei Marmaris konnten von der Feuerwehr und freiwilligen Helfer:innen gelöscht werden. In der Region, in der sie sich aufhält, regnet die Asche der Brände in Bodrum nieder. „In Datça ist es wegen der Asche und dem Rauch stockfinster. Alle hier sind aktiv. Manche helfen beim Löschen, andere kümmern sich um den notwendigen Bedarf an Materialien für die Helfer. Ich selbst war nicht im Brandgebiet, sondern habe nur Bedarfsmittel dorthin gebracht.“
Acht Tage lang seien keine Hubschrauber bei der Brandbekämpfung eingesetzt worden, berichtet Beyza Üstün. Danach seien vereinzelt Hubschrauber gekommen. Diese hätten sich jedoch nicht um die Wälder gekümmert, sondern um die Hotels in Marmaris-Içmeler. Die Ökologin weist darauf hin, dass Hubschrauber wichtiger sind als Flugzeuge. „In Marmaris waren die Hotels der erste Einsatzort der Hubschrauber. Erst jetzt kommen von Zeit zu Zeit Hubschrauber. Die aus Russland, Kroatien und Spanien gemieteten Flugzeuge haben wir hier nicht gesehen. Wie es heißt, sollen sie am Flughafen Dalaman gelandet sein, aber wir haben nicht mitbekommen, dass sie hier gewesen sind.“ Vor allem die Gemeinden seien aktiv geworden, betont Üstün. Aus allen Provinzen seien Löschmannschaften in die Brandgebiete geschickt worden und leisteten eine unglaubliche Arbeit.
Beyza Üstün weist darauf hin, dass vor der Feuerkatastrophe Bergbaulizenzen für mehrere von den Bränden betroffenen Gebiete vergeben worden sind. Darüber hinaus sei offen angekündigt worden, dass die staatliche Wohnungsbaugesellschaft TOKI auf den niedergebrannten Flächen Häuser errichten wird. Der AKP-Bürgermeister von Gündoğmuş habe sogar gesagt: „TOKI wird Häuser bauen. Die Besitzer von alten Häuser werden sich wünschen, dass auch ihre Gebäude abgebrannt wären.“ Üstün sieht daher einen sowohl ökologischen als auch politischen Hintergrund der Brandkatastrophe:
„In ökologischer Hinsicht herrschen extreme Hitze und starker Wind. Das führt ohnehin vermehrt zu Bränden. Das Feuer mag durch die Hitze und damit verbunden zum Beispiel durch eine weggeworfene Zigarettenkippe ausgelöst worden sein, aber wichtig war vor allem, dass sofort interveniert wird, und das ist nicht geschehen. Die Brände sind unter großem Einsatz der ansässigen Bevölkerung, der angereisten Freiwilligen und der örtlichen Feuerwehren gelöscht worden. Im Moment brennt es weiter in Çine und Köyceğiz, ein Feuer breitet sich in Richtung des Kraftwerks Aliağa aus. Der Brand in Manavgat hat sich zuletzt Richtung Antalya ausgebreitet. Aber auch in Dersim und Licê sind Feuer ausgebrochen. Dafür gibt es auch politische Gründe. Was wir beobachten, ist vor allem, dass nicht sofort Maßnahmen getroffen worden sind. In den Brandgebieten hätten Hubschrauber sein müssen. Die Forstverwaltung hätte über ausreichend Hubschrauber verfügen müssen, denn in den höher gelegenen Gebieten kann die Feuerwehr nichts ausrichten. Diese Maßnahme ist erst sehr spät erfolgt. Am 28. Juli, als die Brände begonnen haben, ist eine Anweisung veröffentlicht worden, dass die Bebauung der Ufer- und Waldgebiete in die Kompetenz des Kultur- und Tourismusministeriums übergeht. Vorher sind bereits Bergbaulizenzen für die jetzigen Brandgebiete vergeben worden. Dass die betroffene Gegend zum Bergbaugebiet erklärt und diese Anweisung veröffentlicht worden ist und gleichzeitig keine Löschhubschrauber zum Einsatz gekommen sind, erweckt für uns hier den Eindruck einer politischen Intervention. Ich sage nicht, dass die Wälder absichtlich niedergebrannt worden sind, aber es ist zumindest eindeutig, dass das Feuer beharrlich nicht gelöscht wurde. Die politische Macht hat keine Anstrengungen für die Brandbekämpfung unternommen.“
Beyza Üstün hat jahrelang vor der Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts gewarnt und Maßnahmen gefordert. Aus diesem Grund hat sie Repression erfahren und ist sogar verhaftet worden. Sie fordert auch jetzt eine dringende Richtlinie für eine ökologische Politik. Auch auf andere Naturkatastrophen wie Erdbeben ist die Regierung ihrer Meinung nach nicht vorbereitet. Der ökologische Kampf ist ein politischer Kampf, betont sie: „Der Lebensraum muss geschützt werden und das ist ein politischer Kampf. Es reicht nicht aus, zusammenzukommen und einen Verein zu gründen. Vielmehr muss in der Politik dafür gekämpft werden. Wir alle müssen uns dafür einsetzen und unseren Lebensraum vor dem Kapitalismus und der faschistischen Regierung schützen.“