Die Europäische Kommission hat Dienstag eine Unterstützung Deutschlands für die Deutschen Bahn AG („Deutsche Bahn“) in Höhe von 550 Mio. Euro genehmigt. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass diese finanzielle Unterstützung mit den EU- Beihilfevorschriften im Einklang steht. „Mit dieser Maßnahme wird Deutschland der Deutschen Bahn einen Ausgleich für die Schäden gewähren, die ihrer Tochtergesellschaft DB Fernverkehr zwischen März und Juni 2020 aufgrund der Beschränkungen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Wir arbeiten weiterhin eng mit Deutschland und allen anderen Mitgliedstaaten zusammen, um sicherzustellen, dass nationale Maßnahmen zur Unterstützung aller von der Krise betroffenen Wirtschaftszweige, einschließlich des Schienenverkehrs, im Einklang mit den EU-Vorschriften so schnell wie möglich umgesetzt werden können“, so Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager.
Die DB Fernverkehr, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn, ist ein deutscher Schienenverkehrsbetreiber, der auf inländischen und grenzüberschreitenden Fernverkehrsstrecken Schienenpersonenverkehrsdienste in Deutschland erbringt. Die DB-Tochter verzeichnete wie andere im Eisenbahnsektor tätige Unternehmen aufgrund der Maßnahmen, die Deutschland und andere Mitgliedstaaten zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie ergreifen mussten, einen erheblichen Rückgang des Fahrgastaufkommens im Fernverkehr. Zwischen März und Juni 2020 betrug das Fahrgastaufkommen der DB Fernverkehr nur etwa ein Drittel des Fahrgastaufkommens im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Das Unternehmen erlitt deshalb hohe Betriebsverluste und einen Einbruch bei seinen Einnahmen in diesem Zeitraum. Diese Verluste wurden Ende 2020 von der Muttergesellschaft Deutsche Bahn auf der Grundlage des Gewinnabführungs- und Verlustübernahmevertrags zwischen der Deutschen Bahn und DB Fernverkehr gedeckt.
Die deutsche Unterstützungsmaßnahme
Deutschland meldete eine auf Artikel 107 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gestützte Kapitalzuführung in Höhe von 550 Mio. Euro zugunsten der Deutschen Bahn bei der Kommission zur Genehmigung an. Mit diesen Mitteln sollte das Unternehmen für die Deckung der Verluste entschädigt werden, die seiner Tochtergesellschaft DB Fernverkehr in der Zeit vom 16. März bis zum 7. Juni 2020 im Inlandsreiseverkehr und zwischen dem 16. März und dem 30. Juni 2020 im internationalen Reiseverkehr aufgrund der zur Eindämmung der Pandemie erforderlichen Reisebeschränkungen entstanden.
Die Kommission prüfte die Maßnahme auf der Grundlage des Artikels 107 Absatz 2 Buchstabe b AEUV. Nach dieser Bestimmung kann die Kommission Beihilfen für bestimmte Unternehmen bzw. Beihilferegelungen für bestimmte Wirtschaftszweige genehmigen, die von den Mitgliedstaaten zum Ausgleich von durch außergewöhnliche Ereignisse entstandenen Schäden gewährt werden.
Die COVID-19-Pandemie stellt nach Auffassung der Kommission ein außergewöhnliches Ereignis dar, das nicht vorhersehbar war und erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft hat. Folglich sind Sondermaßnahmen der Mitgliedstaaten zum Ausgleich von infolge der Pandemie entstandenen Schäden gerechtfertigt.
Die Kommission hat festgestellt, dass mit der deutschen Maßnahme Entschädigungen für unmittelbar auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführende Schäden bereitgestellt werden. Sie hält die Maßnahme für angemessen, da die vorgesehene Entschädigung nicht über die zur Deckung der Schäden erforderliche Höhe hinausgeht.
Bei der Schätzung der Höhe des für den Ausgleich in Betracht kommenden Schadens wird auch die Ermäßigung der Wegeentgelte für den Personenfernverkehr berücksichtigt, die DB Fernverkehr auf der Grundlage einer von der Kommission am 30. Juli 2021 genehmigten deutschen Regelung (SA.63635) erhalten soll.
Sollte die von Deutschland gewährte staatliche Unterstützung den tatsächlich aufgrund der Coronakrise erlittenen Schaden übersteigen, werden die zu viel gezahlten Beihilfen zurückgefordert. Mit anderen Worten muss also jeder Euro an öffentlicher Unterstützung, den die Deutsche Bahn über den tatsächlich erlittenen Schaden hinaus erhält, an Deutschland zurückgezahlt werden. Somit ist ausgeschlossen, dass die Beihilfe die Verluste übersteigen könnte.
Die Kommission ist deshalb zu dem Ergebnis gekommen, dass die Maßnahme mit den EU- Beihilfevorschriften im Einklang steht.
Hintergrund
Finanzhilfen aus EU-Mitteln oder Mitteln des betroffenen Mitgliedstaats, die Gesundheitsdiensten oder anderen öffentlichen Stellen zur Bewältigung der Coronakrise gewährt werden, fallen nicht unter die Beihilfenkontrolle. Dasselbe gilt für jegliche öffentliche finanzielle Unterstützung, die Bürgerinnen und Bürgern direkt gewährt wird. Auch staatliche Fördermaßnahmen, die allen Unternehmen offenstehen, wie z. B. Lohnzuschüsse und die Stundung von Körperschaft- und Mehrwertsteuerzahlungen oder Sozialbeiträgen, fallen nicht unter die Beihilfenkontrolle und bedürfen keiner beihilferechtlichen Genehmigung durch die Kommission. In all diesen Fällen können die Mitgliedstaaten sofort handeln. Wenn das Beihilferecht hingegen anwendbar ist, können die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem bestehenden EU-Beihilferahmen umfangreiche Maßnahmen zur Unterstützung bestimmter Unternehmen oder Wirtschaftszweige, die unter den Folgen der COVID- 19-Pandemie leiden, konzipieren.
Die Kommission hat am 13. März 2020 eine Mitteilung über eine koordinierte wirtschaftliche Reaktion auf die COVID-19-Pandemie angenommen‚ in der diese Möglichkeiten erläutert werden.
Nach dieser Mitteilung sind folgende Maßnahmen möglich:
- Die Mitgliedstaaten können Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder Beihilferegelungen für Wirtschaftszweige einführen, denen aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse, etwa infolge der COVID-19-Pandemie, unmittelbar Schäden entstanden sind. Dies ist in Artikel 107 Absatz 2 Buchstabe b AEUV vorgesehen.
- Zudem können die Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV Unternehmen unterstützen, die mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen haben und dringend Rettungsbeihilfen benötigen.
- Flankierend sind, z. B. im Rahmen der De-minimis-Verordnung und der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung, vielfältige zusätzliche Maßnahmen möglich, die von den Mitgliedstaaten ebenfalls unverzüglich und ohne Beteiligung der Kommission eingeführt werden können.
In einer besonders schwierigen wirtschaftlichen Lage wie jener, die aufgrund der COVID-19- Pandemie derzeit in allen Mitgliedstaaten herrscht, können die Mitgliedstaaten nach den EU-Beihilfevorschriften Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung in ihrem Wirtschaftsleben gewähren. Dies ist in Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV vorgesehen.
Am 19. März 2020 hat die Kommission einen auf Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV gestützten Befristeten Beihilferahmen angenommen, damit die Mitgliedstaaten den in den Beihilfevorschriften vorgesehenen Spielraum in vollem Umfang nutzen können, um die Wirtschaft während der COVID- 19-Pandemie zu unterstützen. Nach diesem am 3. April, 8. Mai, 29. Juni und 13. Oktober 2020 sowie am 28. Januar 2021 geänderten Rahmen sind folgende Arten von Beihilfen möglich: i) direkte Zuschüsse, Kapitalzuführungen, selektive Steuervorteile und rückzahlbare Vorschüsse; ii) staatliche Garantien für Bankdarlehen an Unternehmen; iii) vergünstigte öffentliche Darlehen an Unternehmen, einschließlich nachrangiger Darlehen; iv) Zusicherungen für Banken, die staatliche Beihilfen an die Realwirtschaft weiterleiten; v) öffentliche kurzfristige Exportkreditversicherungen; vi) Unterstützung von Coronavirus-bezogener Forschung und Entwicklung (FuE); vii) Unterstützung beim Bau und bei der Hochskalierung von Erprobungseinrichtungen; viii) Unterstützung für die Herstellung von Produkten, die für die Bewältigung der COVID-19-Pandemie relevant sind; ix) gezielte Unterstützung in Form einer Steuerstundung und/oder Aussetzung der Sozialversicherungsbeiträge; x) gezielte Unterstützung in Form von Lohnzuschüssen für Arbeitnehmer; xi) gezielte Unterstützung in Form von Eigenkapital- und/oder hybriden Finanzinstrumenten; xii) Unterstützung für ungedeckte Fixkosten von Unternehmen, die im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie Umsatzeinbußen erlitten haben.
Der Befristete Rahmen gilt bis Ende Dezember 2021. Um für Rechtssicherheit zu sorgen, wird die Kommission vor Ablauf dieser Frist prüfen, ob eine Verlängerung erforderlich ist.
Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, wird die nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses über das Beihilfenregister der Kommission auf der Website der GD Wettbewerb unter der Nummer SA.63846 zugänglich gemacht. Über neu im Internet und im Amtsblatt veröffentlichte Beihilfebeschlüsse informiert der elektronische Newsletter State Aid Weekly e-News.
EU-Kommission / 11.08.2021