Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßt das überfällige Verbot von einzelnen Produkten aus Einwegplastik, welches ab kommendem Samstag in der EU gilt. Der Umweltverband sieht jedoch noch weiteren Handlungsbedarf, um Meere und Ressourcen effektiv zu schützen. „Flaschen, Deckel, Plastiktüten oder Verpackungen von Süßigkeiten machen auch an deutschen Küsten einen großen Teil des Strandmülls aus. Das EU-weite Verbot für einzelne Plastikprodukte ist daher wichtig und richtig. Ein effektiver Meeres- und Ressourcenschutz kann aber nur gelingen, wenn insgesamt weniger Einweg produziert wird und somit auch weniger Müll entsteht“, sagt Dorothea Seeger, Meeresmüll-Expertin des BUND.
Deshalb braucht es aus Sicht des BUND schnell verbindliche Vorgaben, mit denen unternehmensübergreifende Mehrwegkonzepte flächendeckend etabliert werden. Sowohl der Handel als auch die Industrie müssen verpflichtet werden, funktionierende Mehrweg-Infrastrukturen aufzubauen.
„Ab 2023 müssen viele gastronomische Betriebe Mehrwegverpackungen für Außer-Haus-Bestellungen zumindest anbieten. Wir befürchten aber, dass dies nicht dazu beitragen wird, weniger Abfall zu verursachen. Einerseits müssen sich nicht alle Betriebe beteiligen und andererseits muss Mehrweg nicht günstiger angeboten werden als Einweg“, sagt Janine Korduan, Expertin für Kreislaufwirtschaft beim BUND. „Besser wäre eine Abgabe auf Einwegverpackungen, welche die schädlichen Umweltauswirkungen sichtbar einpreist.“
Dazu muss auch die Mehrwegquote von 70 Prozent im Getränkebereich endlich umgesetzt werden. Zudem sollten Pfand-Mehrwegsysteme für weitere Lebensmittelverpackungen sowohl für Großgebinde als auch im To-Go-Bereich ausgebaut und etabliert werden. Das Ziel muss eine Wiederverwendungsquote von 15 Prozent bis zum Jahr 2025 und 30 Prozent bis zum Jahr 2030 für Lebensmittel- und andere Verkaufsverpackungen sein.
„Die Plastikindustrie wird weiterhin Unmengen an Plastik produzieren“, sagt Korduan. „Dabei müssen wir insgesamt viel weniger verbrauchen – nicht nur Plastik, sondern auch andere Rohstoffe. Deshalb dürfen wir Einweg-Plastik nicht einfach mit Einweg-Papier ersetzen. Zellstoff für deutsche Lebensmittel-Papierverpackungen kommt zu großen Mengen aus Monokulturen in Brasilien, die das Artensterben befeuern und indigenen Menschen ihr Land wegnehmen. Einweg bleibt eine Sackgasse, nur Mehrweg führt in eine ressourceneinsparende und umweltschonende Zukunft.“
Hintergrund:
Am häufigsten werden an den Küsten der Europäischen Union Plastikflaschen und -deckel, Zigarettenkippen, Wattestäbchen und Süßigkeitenverpackungen, Hygieneprodukte, Besteck, Trinkhalme, Einwegbecher, Luftballons und Essensverpackungen gefunden. Gemeinsam machen sie beinahe die Hälfte des gesamten Strandmülls aus. Ein weiteres Drittel des Strandmülls wird durch Fischereigeräte verursacht. Die EU-Einwegplastik-Richtlinie setzt daher genau bei der Reduzierung dieser am häufigsten an den Stränden gefundenen Einwegplastik-Produkte sowie Fischereigerät an.
Die Richtlinie ist auf europäischer Ebene im Juli 2019 in Kraft getreten und fordert die Umsetzung der ersten Maßnahmen in deutsches Recht zum 3. Juli 2021, die nun unter anderem mit dem Verbot bestimmter Einwegprodukte erfolgt.
Auch wenn in Deutschland gute Erfassungs- und Recyclingsysteme für Plastik bestehen, so ist dies in Wirklichkeit eine funktionierende „Einweg-Abfall-Verwertungs-Infrastruktur“. Sie führt bisher aber nicht dazu, dass weniger Verpackungen produziert oder verbraucht werden, im Gegenteil: die Verpackungsmüllberge wachsen. 2019 wurden zudem immer noch viel zu viele Verpackungen, die im gelben Sack gesammelt werden, „thermisch verwertet“. Immerhin fast 40 Prozent dieser meist kurzlebig eingesetzten Verpackungen wurden verbrannt, die stofflichen Ressourcen also für immer vernichtet. Wir haben in Deutschland Infrastrukturen, die kontinuierlich Ressourcen verschwenden und auch Recycling und Logistik sind zumeist fossil-basiert und gehen mit Material- und Energieverlusten einher. Von einem primärressoucensparenden, zirkulären Wirtschaften sind wir daher noch weit entfernt.
BUND / 01.07.2021