Die Kommission hat Freitag den Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts angenommen. Der Bericht zeigt, wie die Kommission die Anwendung von EU-Recht 2020 überwacht und durchgesetzt hat und wie die Mitgliedstaaten in verschiedenen Politikbereichen abgeschnitten haben. Gegen Deutschland waren demnach 79 Vertragsverletzungsverfahren anhängig, ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr mit 70 Verfahren. 28 Verfahren wurden neu eröffnet, die meisten davon in den Bereichen Umwelt (7 Verfahren) und Verkehr (6 Verfahren). Deutschland liegt mit Platz 22 im letzten Drittel der Mitgliedstaaten, Schlusslicht ist Spanien mit 99 Verfahren, Spitzenreiter ist Dänemark mit nur 31 Vertragsverletzungsverfahren.
In dem Bericht wird der Ausbruch der COVID-19-Pandemie berücksichtigt und erläutert, welche Maßnahmen die Kommission ergriffen hat, um die Rechte, Freiheiten und Existenzgrundlagen von Menschen und Unternehmen in der gesamten Union zu schützen.
Im Jahr 2020 hat die Kommission insgesamt 903 neue Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Dies ist ein Anstieg um 13 Prozent gegenüber 2019, als es 797 neue Verfahren gab. Im Jahr 2020 war die Zahl der neuen Verfahren wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung oder Anwendung des EU-Rechts am niedrigsten für Dänemark, Finnland, Irland und die Niederlande, während gegen Bulgarien, Italien, Malta und Griechenland die meisten Verfahren eingeleitet wurden.
Durchsetzung des EU-Rechts während einer Pandemie
Für die Europäerinnen und Europäer ist es wichtig, dass das EU-Recht wirksam durchgesetzt wird, damit sie die Rechte und Vorteile, die ihnen aus dem EU-Recht erwachsen, in Anspruch nehmen können. Dies gilt umso mehr während des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie, die sich eindeutig auf die Anwendung des EU-Rechts ausgewirkt hat. So haben viele Mitgliedstaaten beispielsweise einseitig Ausfuhrbeschränkungen für Arzneimittel, Schutzausrüstungen und andere COVID-19-relevante Produkte eingeführt. Wo erforderlich, reagierte die Kommission auf derartige Einschränkungen mit dringlichen Vertragsverletzungsverfahren. Die Kommission hat außerdem Vertragsverletzungsverfahren gegen elf Mitgliedstaaten eingeleitet, weil diese die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht geschützt haben, die Pauschalreisen gebucht hatten und nach der Stornierung ihrer Reisen aufgrund von COVID-19 keine angemessene Entschädigung erhielten.
Auch wenn die Kommission nach Möglichkeiten gesucht hat, die Belastung der von Vertragsverletzungsverfahren betroffenen Mitgliedstaaten zu verringern (z. B. durch die Gewährung längerer Antwortfristen), ist die ordnungsgemäße Anwendung des EU-Rechts auch in Krisenzeiten von größter Bedeutung.
Besondere Beachtung der Politikbereiche, die für das tägliche Leben der Menschen in Europa wichtig sind
Im Jahr 2020 setzte sich die Kommission weiterhin für die konsequente Durchsetzung der EU-Vorschriften in allen Politikbereichen ein und legte dabei den Schwerpunkt auf die Bereiche, die sich am stärksten auf das alltägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen auswirken, wie Umwelt, Mobilität und Verkehr sowie Energie. Insgesamt entfiel die Hälfte aller neuen Verfahren auf diese Politikbereiche. So ging die Kommission beispielsweise gegen Mitgliedstaaten vor, die gegen EU-Recht in den Bereichen saubere Luft und sauberes Trinkwasser, das Recht von Reisenden auf Erstattung bei Annullierung von Reisen oder die Verkehrssicherheit verstoßen hatten.
Die Durchsetzung des EU-Rechts beruht auf Zusammenarbeit. Aus diesem Grund unterstützt die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten aktiv bei der Umsetzung des EU-Rechts durch Leitlinien und Dialog. Im Jahr 2020 veröffentlichte die Kommission eine Reihe spezieller Leitlinien für verschiedene Politikbereiche, z. B. zur Soforthilfe der EU im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitswesen, zu Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, zu Fluggastrechten, zur Flugsicherheit und zur koordinierten wirtschaftlichen Reaktion auf die Pandemie.
Vorgehen gegen die verspätete Umsetzung von EU-Richtlinien
Damit Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen alle mit dem EU-Recht verbundenen Vorteile voll ausschöpfen können, müssen die Mitgliedstaaten europäische Richtlinien fristgerecht in nationales Recht umsetzen.
Mehr als die Hälfte aller Vertragsverletzungsverfahren im Jahr 2020 betraf die verspätete Umsetzung von Richtlinien. Die Anzahl der Verfahren stieg erheblich von 406 Verfahren im Jahr 2019 auf 599 Verfahren im Jahr 2020. Die höchste Zahl neuer Verfahren der letzten fünf Jahre wegen verspäteten Umsetzung (847 Fälle) war 2016 verzeichnet worden. Um die rechtzeitige und korrekte Umsetzung zu erleichtern, unterstützte die Kommission die Mitgliedstaaten mit Leitfäden, speziellen Websites und durch den Austausch bewährter Verfahren in Expertengruppen oder Workshops.
Die meisten neuen Verfahren wegen verspäteter Umsetzung wurden gegen das Vereinigte Königreich*, Portugal, Belgien und Zypern eingeleitet, die wenigsten Verfahren waren gegen Dänemark, Schweden, Irland, Litauen, Malta und die Niederlande anhängig.
Hintergrund
Infolge einer Aufforderung des Europäischen Parlaments erstellt die Kommission seit 1984 alljährlich einen Bericht über die Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts im Vorjahr. Das Europäische Parlament nimmt dann eine Entschließung zum Kommissionsbericht an.
Die Kommission nimmt prioritär Probleme in Angriff, bei denen sie mit ihren Durchsetzungsmaßnahmen Maßgebliches bewirken kann und wo diese Maßnahmen den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen zugutekommen. Im institutionellen Gefüge der europäischen Organe ist es generell Aufgabe der Europäischen Kommission, das Rechtsetzungsverfahren einzuleiten. Der Rat und das Europäische Parlament entscheiden über die Vorschläge der Kommission. Die Mitgliedstaaten sind für die fristgerechte Umsetzung, die korrekte Anwendung und die Durchsetzung des EU-Rechts in ihrer nationalen Rechtsordnung verantwortlich. Mit der Kommission schließt sich der Kreis wieder: Sobald ihre Vorschläge angenommen sind und EU-Recht werden, überwacht sie, ob die Mitgliedstaaten dieses Recht korrekt anwenden, und ergreift Maßnahmen, wenn dies nicht der Fall ist.
EU-Kommission / 23.07.2021