Das UNESCO-Welterbekomitee hat heute 13 neue Welterbestätten ernannt. Die historische Bergbaulandschaft von Roșia Montană in Rumänien wurde aufgrund möglichen Gold- und Silberabbaus in dem Gebiet zugleich in die Liste gefährdeter Welterbestätten aufgenommen. Zudem erweiterte das Komitee die Franziskanermissionen in der Sierra Gorda in Querétaro, Mexiko, die seit 1994 zum Welterbe gehören. Die Missionen waren stilprägend für die Sakralarchitektur weit über Mexiko hinaus. Das UNESCO-Komitee tagt noch bis zum 31. Juli und berät voraussichtlich bis zum 28. Juli über Nominierungen für die Welterbeliste.
Neuaufnahmen
Roberto-Burle-Marx-Stätte (Brasilien)
Die Roberto-Burle-Marx-Stätte im gebirgigen Westen von Rio de Janeiro umfasst weitläufige Landschaftsgärten mit Architekturelementen sowie die zugehörigen Gebäude. Über 40 Jahre arbeitete der Architekt und Künstler Roberto Burle Marx (1909–1994) in diesem „Landschaftslaboratorium“ an der Verschmelzung künstlerischer Ideen der Moderne mit der Aufzucht einheimischer tropischer Pflanzen. Inspiriert von den Hauptvertretern der Modernen Kunst, schuf Burle Marx zunächst Gemälde, in denen er Elemente der portugiesisch-brasilianischen Volkskultur modernistisch abstrahierte. Diese Bilder nutzte er dann als Basis für seine Landschaftsgestaltung. Burle Marx’ einzigartige lebendige Kunstwerke sorgten für eine starke Verbreitung tropischer Pflanzen in Privatgärten. Auch bereitete Burle Marx den Weg dafür, was später als Modern Tropical Garden bekannt wurde und die Parkgestaltung seit Mitte des 20. Jahrhunderts weit über Brasilien hinaus beeinflusste.
Siedlungen und künstliche Mumifizierung der Chinchorro-Kultur in Arica y Parinacota (Chile)
Die Chinchorro siedelten zwischen 5450 und 890 vor unserer Zeitrechnung an der Nordküste Chiles. Obwohl sie dort mit den extremen Umweltbedingungen einer äußerst trockenen Küstenwüste konfrontiert waren, entwickelten sie dank intelligenter Nutzung von Meeresressourcen eine vielschichtige Kultur. Die Überreste ihrer Siedlungen und Friedhöfe zeugen insbesondere von einer komplexen Spiritualität. So waren die Chinchorro nachweislich die ersten Menschen weltweit, die ihre Verstorbenen künstlich mumifizierten.
Moscheen im sudanesischen Stil an der nördlichen Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire)
Die Lehmbauweise der acht kleinen Moscheen in Tengréla, Kouto, Sorobango, Samatiguila, M’Bengué, Kong und Kaouaraé ist spezifisch für den Sudan und die Savannenregion Westafrikas. Um das 14. Jahrhundert in Djenné im Malireich entstanden, kennzeichnen die Moscheen hervorstehende Balken und vertikale Strebepfeiler, die von Keramik oder Straußeneiern gekrönt sind, sowie sich verjüngende Minarette. Vor allem ab dem 16. Jahrhundert breitete sich dieser Stil von den Wüstengebieten nach Süden aus, wurde niedriger und entwickelte als Reaktion auf das feuchtere Klima kräftigere Strebepfeiler. Die acht eingetragenen Teilstätten sind die am besten erhaltenen Stilbeispiele von insgesamt zwanzig Moscheen, die heute noch in Côte d’Ivoire existieren.
SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz (Deutschland)
SchUM ist das Akronym der mittelalterlichen hebräischen Städtenamen von Speyer, Worms und Mainz. Es bezeichnet den Zusammenschluss der drei jüdischen Gemeinden der Städte. Als Verbund der SchUM-Städte bildeten Mainz, Worms und Speyer im Mittelalter das Zentrum des Judentums in Europa. Von der wechselvollen Geschichte der drei Gemeinden erzählen bis heute Bauwerke und Friedhöfe, die zu den ältesten Zeugnissen jüdischen Lebens in Deutschland und Europa gehören. Das rituelle und gesellschaftliche Leben der Gemeinden spiegelt sich in der Architektur des Judenhofs in Speyer, des Wormser Synagogenbezirks und der alten jüdischen Friedhöfe in Worms und Mainz. Form und Gestaltung dieser Stätten beeinflussten jüdisches Architekturdesign und jüdische Bestattungskultur in ganz Mitteleuropa nördlich der Alpen. Auch die Schriften der SchUM-Gelehrten sind bis heute Teil jüdischer Tradition.
Grenzen des Römischen Reichs – Niedergermanischer Limes (Deutschland, Niederlande)
In den letzten Dekaden vor Christus begonnen, verlief der Niedergermanische Limes 400 Kilometer entlang des unteren Rheins, von der Nordseeküste der heutigen Niederlande bis südlich von Bonn. Sein Bau markierte die früheste durchgehende Grenzlinie des Römischen Reiches. Die heute noch erhaltenen Überreste vor allem militärischer Einrichtungen zeigen die Entwicklung und Funktionsweisen sowohl der großen Operationsbasen als auch der kleineren Anlagen, die eine ausgedehnte Grenzbefestigung erfordert. Für das Verständnis des Grenzlebens selbst und erloschener Traditionen wie dem Flussschiffbau sind die erhaltenen Fragmente von unschätzbarem Wert.
Nizza, Winterkurort der Riviera (Frankreich)
Das milde Klima und die malerische Umgebung Nizzas veranlassten ab Mitte des 18. Jahrhunderts immer mehr wohlhabende Familien, hier die Wintermonate zu verbringen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts führten die wachsende Zahl und Vielfalt der Winterbewohner zur sukzessiven Entwicklung neuer Stadtteile. Nizza wurde zum internationalen Zentrum des architektonischen und städtebaulichen Gedankenaustauschs. Der daraus resultierende Reichtum an Architekturstilen, urbanen Gestaltungselementen und Gebäudedekors bezeugt noch heute den einzigartigen kosmopolitischen Charakter der Stadt an der Riviera.
Dholavira: Eine Stadt der Harappan Kultur (Indien)
Dholavira, zwischen 3000 und 1500 vor unserer Zeitrechnung auf der wasserarmen Insel Khadir im großen Rann von Kachchh, einem Salzsumpf, erbaut, war das südliche Zentrum der Harappan-Kultur. Die archäologische Fundstätte umfasst die befestigte Stadt und den Friedhof. Obwohl teilweise mit anderen Harappan-Städten vergleichbar, weist Dholavira zahlreiche Besonderheiten auf. Dazu zählen eine planvolle Stadtanlage, vielschichtige Verteidigungssysteme, soziale Ordnungsstrukturen, eine umfangreiche und qualitativ hochwertige Perlenherstellung sowie einzigartige Bestattungstraditionen in der Natur. Zudem zeugt ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem mit Brunnen, Tanks, Dämmen, Stauseen und Abflüssen von außerordentlichem Erfindungsreichtum. Als eine der wichtigsten repräsentativen Stätten der Harappan ist Dholavira unverzichtbar für das Verständnis dieser Kultur.
Kulturlandschaft Hawraman/Uramanat (Iran)
Bis zu 40.000 Jahre alte Pfade, Felsunterkünfte, Friedhöfe, Burgen und Inschriften erzählen von einer ununterbrochenen Besiedelung der Zagros-Berge, die sich konsequent an die unwirtliche Umgebung angepasst hat. Die kurdische Bevölkerung, die das Gebiet seit Jahrtausenden bewohnt, pflegt bis heute althergebrachte Lebens- und Arbeitsweisen, wie die Wanderweidewirtschaft, das saisonale Wohnen in Havars oder die Anlage steil abfallender Terrassen für Landwirtschaft und Siedlungsbau.
Prähistorische Stätten der Jomon in Nordjapan (Japan)
Im Süden der Insel Hokkaido geben siebzehn archäologische Fundstätten Zeugnis von der besonderen Lebensweise und komplexen spirituellen Kultur der Jomon. Statt nach dem Beginn ihrer Sesshaftigkeit Land zu bewirtschaften, blieben die zwischen 15000 und 400 vor unserer Zeitrechnung lebenden Jomon stets Jäger, Fischer und Sammler. Dadurch griffen sie während der Jahrtausende nur wenig in ihre Umwelt ein und passten vorrangig sich selbst an die klimatischen Veränderungen an. So sind Siedlungsplätze der Jomon in nahezu jedem Gelände zu finden, von den Bergen bis zum Meer. Zugleich dokumentieren ihre Gräber, künstlichen Erdwälle und vermutlich für Zeremonien verwendeten Steinkreise nicht nur eine reiche spirituelle Praxis, sondern auch soziale Bindungen zwischen den verstreuten Siedlungen.
As-Salt – Ort der Toleranz und der urbanen Gastfreundschaft (Jordanien)
Begünstigt durch ihren neuen Status als Verwaltungshauptstadt Transjordaniens erlebte As-Salt zwischen den 1860er- und 1920er-Jahren eine Blütezeit. Die rasante Entwicklung der kleinen Siedlung zu einer pulsierenden Handelsmetropole zeigt sich heute noch in den charakteristischen gelben Kalksteingebäuden und dem zwischen ihnen angelegten Netz aus Treppen, Alleen, öffentlichen Plätzen und Straßen. Statt sich in abgegrenzten Vierteln anzusiedeln, pflegten die ankommenden Händler, Großbauern und Handwerker mit den Einheimischen einen intensiven kulturellen Austausch über Herkunfts- und Glaubensgrenzen hinweg. Zeugnisse dieser besonders ausgeprägten urbanen Gastfreundschaft sind unter anderem die zahlreichen Gasthäuser und das Sozialhilfesystem Takaful Ijtima.
Archäoastronomischer Komplex von Chanquillo (Peru)
Obwohl er nur für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum – von etwa 250 bis 200 vor unserer Zeitrechnung – genutzt wurde, stellt der Archäoastronomische Komplex von Chanquillo den Höhepunkt langer astronomischer Entwicklungen im peruanischen Casma-Tal dar. Die Anlage besteht aus einem dreifach ummauerten Festungs- und Tempelhügel sowie dem Sonnenobservatorium, einem Verwaltungstrakt und dreizehn würfelähnlichen Türmen, die sich an einer Hügelkante entlangziehen. Diese Türme und der Berg Cerro Mucho Malo wurden als künstlicher Horizont genutzt, um über das gesamte Jahr hinweg Kalenderdaten mit einer Genauigkeit von ein bis zwei Tagen bestimmen zu können. Damit ist das im Norden Perus gelegene Chanquillo ein herausragendes Beispiel frühgeschichtlicher Zeitmessung.
Bergbaulandschaft Roșia Montană (Rumänien)
In Roșia Montană befindet sich die bedeutendste, weitläufigste und technisch facettenreichste Goldmine des Römischen Reiches. Während der Besatzung Dakiens zwischen 106 und 271 unserer Zeitrechnung angelegt, erstrecken sich die Stollen über sieben Kilometer und vier Berge. Archäologische Funde in der umliegenden Landschaft belegen zudem eine Vielzahl an Erzverarbeitungsstätten, Unterkünften, Verwaltungsgebäuden, Friedhöfen und sakralen Orten. Für Bau und Betrieb kamen innovative Techniken aus dem gesamten Römischen Reich zur Anwendung. Beispielsweise erfolgte die Entwässerung durch hispanische Schaufelräder mit Tretmühlenantrieb. Viele Elemente der Bergbaulandschaft sind jedoch einzigartig, darunter die übereinander gelegten vertikalen Abbaubereiche, die sogenannten Strossen, mit stufenweise ausgeschnittenem Dach. In ihrer Gesamtheit verkörpert Roșia Montană eine unvergleichliche Pionierleistung in der Abbautechnologie. Die Stätte wurde zudem in die Liste des gefährdeten Welterbes aufgenommen, da Lizenzen für den Edelmetall-Abbau in dem Gebiet bestehen.
Die Ingenieurbaukunst von Eladio Dieste: Kirche von Atlántida (Uruguay)
Der Ingenieur Eladio Dieste entwarf die von 1958 bis 1960 gebaute Kirche mit Glockenturm und unterirdischem Baptisterium vollständig in Sichtmauerwerk. Er ließ sich dabei durch italienisch-frühchristliche und mittelalterliche Sakralarchitektur inspirieren, entwickelte für die Umsetzung aber eine neue Ziegelbautechnik mit verstärkter Keramik. Diese Erfindung ermöglichte ihm einen stark optimierten Materialverbrauch sowie bis dahin im Backsteinbau unbekannte Struktur- und Ausdrucksvarianten. Die Kirche von Atlántida ist die räumlich und ästhetisch expressivste Vertreterin dieses verstärkten Ziegelmauerwerks. Sie verkörpert die 1945 einsetzende weltweite Suche nach einer neuen architektonischen Sprache, die Modernität aus Tradition heraus entwickeln sollte.
Erweiterung
Franziskanermissionen in der Sierra Gorda in Querétaro (Mexiko)
Die 1994 zum UNESCO-Welterbe ernannten 14 Klöster am Fuße des Popocatépetl weisen alle eine ähnliche Struktur auf: Ein meist rechteckiges Atrium, eine einschiffige Kirche und Klostergebäude, die sich normalerweise südlich der Kirche befinden und um einen kleinen Innenhof oder als Kreuzgang angelegten Patio herum angeordnet sind. Auch der neue Bestandteil, das Ensemble des Franziskanerklosters und der Kathedrale Maria Himmelfahrt, folgt diesem Aufbau. Dieses Modell beeinflusste nicht nur die Sakralarchitektur in Mittel- und Südostmexiko. Während der im 18. Jahrhundert ausgedehnten Kolonisierung und Missionierung gen Norden verbreiteten sich derartige Klöster und Missionsstationen bis an beide Küsten der heutigen USA.
Deutsche UNESCO-Kommission / 27.07.2021