Die kroatische Grenze gilt als eine der brutalsten EU-Außengrenzen. Auf der Balkanroute liegend, wird der kroatischen Polizei praktisch freie Hand gelassen, Schutzsuchende abzuschrecken und nach Bosnien zurückzutreiben. Zu den Knochenbrüchen und anderen Verletzungen kommen immer wieder auch Berichte sexualisierter Gewalt durch die Grenzpolizei. Wie der Dänische Flüchtlingsrat (DRC) berichtet, wurde eine afghanische Frau von Polizisten mit gezogenem Messer zum Ausziehen gezwungen und physisch-sexuell angegriffen.
Laut einem Dossier des DRC ereignete sich der Vorfall in der Nacht zum 15. Februar auf kroatischem Gebiet, wenige Kilometer von der bosnischen Stadt Velika Kladuša entfernt.
In dem Bericht erklärte die Frau, sie habe im Februar versucht, die Grenze in einer Gruppe von vier Personen zu überqueren. Zwei von ihnen waren Kinder. Sie wurden von einem Polizisten gestoppt, der ein Gewehr auf sie richtete. Die Schutzsuchenden baten um Asyl. Der Offizier nahm nach Zeugenaussagen jedoch die Papiere der Schutzsuchenden und zerriss diese und lachte sie aus.
Die Frau berichtet weiter: „Er beleidigte uns, schlug den älteren Mann, der bei uns und den Kindern war, und sagte uns, wir sollten unsere Taschen leeren und ihnen unsere Taschen zeigen. Dann nahm er mich beiseite und begann mich zu durchsuchen. Ich bestand darauf, dass er mich nicht anfassen sollte. Er fragte mich, warum. Ich sagte ihm, weil ich eine Frau und eine Muslimin bin und es haram ist. Der Offizier schlug mir auf den Kopf und sagte mir: ‚Wenn Sie Muslima sind, warum bist Du dann nach Kroatien gekommen, warum bist Du nicht in Bosnien bei den Muslimen geblieben?’“ Dann riss der Polizist der Frau das Kopftuch herunter und zog ihr die Jacke aus.
„Nachdem er meine Jacke ausgezogen hatte, fing er an, meine Brüste zu berühren, und ich fing an zu weinen“, sagte die Frau. „Ich gab dem Polizisten 50 Euro, die ich in meiner Tasche hatte, in der Hoffnung, dass er aufhören würde, mich zu berühren. Der Beamte befahl mir, alle meine Kleidung auszuziehen, was ich ablehnte. Er fuhr fort, mich an meinen Brüsten und meinem Hintern zu berühren, und ich weinte sehr. Der Offizier sagte mir, ich solle aufhören zu weinen, während er gestikulierte, dass er mich erwürgen würde, wenn ich weitermachte. Ich hatte Angst, aber ich hörte auf zu weinen.“ Sie wurde mit Vergewaltigung bedroht und gezwungen, sich auszuziehen. Die Afghanin berichtet weiter: „Ich war verängstigt und in Tränen aufgelöst. Er sagte mir, ich soll mit ihm in den Wald gehen und fragte mich, ob ich verstehe, was er meint. Ich gestikulierte ihm, dass ich es nicht verstanden hätte. Aber ich wusste, was er meinte. Der Beamte packte mich dann an der Schulter und schob mich in Richtung eines anderen Beamten. Sie hatten beide Taschenlampen auf der Stirn und ich konnte nicht gut sehen. Der Beamte, der mich angefasst hatte, zog ein Messer heraus und setzte es mir an die Kehle. Er sagte mir, dass er mich umbringen würde, wenn ich jemals etwas zu irgendjemandem sagen würde, und dass ich, wenn ich jemals wieder nach Kroatien käme, mein Ende im Wald unter ihm finden würde.“
Der Polizist schlug die Frau und die anderen Mitglieder der Gruppe erneut ins Gesicht, auf den Kopf und Beine. Dann schickten die Polizisten sie zurück nach Bosnien.
Zahl Gewalttaten durch kroatische Polizei unverändert hoch
„Die Aussagen sind wirklich schockierend“, sagte Charlotte Slente, DRC-Generalsekretärin. „Trotz der geringeren Anzahl von Pushbacks, die der DRC im Jahr 2021 verzeichnete, bleibt die gemeldete Gewalt und des Missbrauchs an der Grenze zwischen Kroatien und BiH [Bosnien-Herzegowina] unverändert.“
„Rhetorik müssen Taten folgen“
Slente fordert systematische Untersuchungen dieser Berichte „Trotz der Arbeit der Europäischen Kommission mit den kroatischen Behörden in den letzten Monaten haben wir so gut wie keine Fortschritte gesehen, weder bei der Untersuchung der tatsächlichen Berichte noch bei der Entwicklung unabhängiger Grenzüberwachungsmechanismen, um Gewalt an den Außengrenzen der EU zu verhindern”, erklärt sie. „Es ist wirklich an der Zeit, die Rhetorik in die Realität umzusetzen – und dafür zu sorgen, dass eine wirklich unabhängige Grenzüberwachung eingerichtet wird, um diese Übergriffe zu verhindern und sicherzustellen, dass die Täter von Gewalt und Missbrauch durch glaubwürdige und transparente Untersuchungen effektiv zur Rechenschaft gezogen werden können.“
Übergriff kein Einzelfall
So berichtet das Border Violence Monitoring Network, Dutzende von Frauen und jungen Mädchen hätten berichtet, von männlichen kroatischen Polizisten „überall durchsucht“ worden zu sein.
Der Übergriff auf die Gruppe der Afghanin ist kein Einzelfall. Die Berichte über Raub, Misshandlungen und illegale Pushbacks durch die kroatische Grenzpolizei sind mittlerweile unzählbar. Kritiker*innen mahnen, dass die Gewalt an den Grenzen von der EU durchaus gebilligt werde, da in ihr ähnlich dem Sterben im Mittelmeer eine abschreckende Wirkung gesehen werde.
Kroatische Polizei foltert Schutzsuchende
Die EU hat ein gnadenlose Abschottungsregime entlang ihrer Grenzen errichtet. Eine dieser Grenzen ist die kroatische EU-Außengrenze nach Bosnien. Schutzsuchende, die versuchen über die sogenannte Balkanroute in die EU zu gelangen sind oft gezwungen, über die bosnisch-kroatische Grenze einzureisen. Dort werden sie Opfer illegaler Pushbacks, also von Zurückweisungen durch die kroatische Polizei. Die Grenze ist seit dem Jugoslawienkrieg vermint und auch Bären und Wölfe bedrohen die Schutzsuchenden. Viele der Geflüchteten kommen aus Afghanistan, Pakistan, dem Iran, Irak oder Syrien. Gegenüber Tagesschau berichtet ein Mann aus Pakistan über die kroatische Polizei: „Die kroatische Polizei hat uns aufgegriffen und zusammengeschlagen. Dann haben sie mir gesagt, dass ich meine Schuhe ausziehen soll. Sie haben sie mir weggenommen und mir dann mit einer Zange einen meiner Zehennägel rausgerissen. Überall war Blut.“
Ein anderes Push-Back-Opfer aus Algerien erzählt den Journalisten: „Die Kroaten haben mir gesagt, dass ich das Essen in meinem Rucksack verbrennen soll. Ich habe geantwortet, dass ich das mit meinem muslimischen Glauben nicht vereinbaren kann. Dann haben sie mir den Arm gequetscht und mich mit einem Stock geschlagen.“
Dieses Vorgehen ist kein Einzelfall, seit Jahren sind solche Übergriffe bekannt und werden offensichtlich von der EU geflissentlich ignoriert obwohl die Übergriffe durch Menschenrechtsorganisationen klar dokumentiert sind und Politiker*innen auch in Deutschland die Bundesregierung immer wieder warnte, tat sie die Übergriffe immer wieder als Einzelfälle ab. Auch der Völkerrechtsbruch der illegalen Pushbacks – das heißt der Verweigerung von Asylverfahren und Zurückweisung sind bisher nicht moniert worden. Das sieht auch die bosnische Aktivistin Zehida Bihorac so: „Kroatien bekommt vom Rest der EU grünes Licht für dieses Vorgehen.“ Ziel des brutalen Vorgehens ist es Abschreckung zu erzeugen und das auf Kosten der Menschen ,die eben keine Lobby haben – auf Schutzsuchende und Migrant*innen.
ANF